Verfolgt man den neuesten Umgang der bundesdeutschen Politik mit dem VթԹԳlkermord an den Armeniern, so wird unschwer erkennbar, wie sich die deutschen Spitzenpolitiker und auch der deutsche Gesetzgeber aus der Verantwortung stehlen. Die Methoden der Verschiebung der deutschen Verantwortlichkeit fթԹԶr den VթԹԳlkermord an den Armeniern in der Osmanischen TթԹԶrkei werden immer subtiler, die Argumentationswege der deutschen Politik anhaltend kasuistischer.
Hat es den Altkanzler Gerhard SchrթԹԳder unlթԹ)ngst im Zeichen seiner unrթԹԶhmlichen MթԹ)nnerfreundschaft und irrwitzer BթԹԶndnismacherei mit dem tթԹԶrkischen MinisterprթԹ)sidenten Erdogan auf die Seite der Genozidleugner verschlagen, geht die amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel andere Wege. Merkel vertritt neuerdings den aberwitzigen Standpunkt, der VթԹԳlkermord an den Armeniern stelle eine Angelegenheit der TթԹԶrkei und der Republik Armenien dar. Damit erթԹԶbrige sich թ§Չ-Չ so die Logik dieser Behauptung թ§Չ-Չ das Aktivwerden des deutschen Gesetzgebers im Blick auf die konsequente Verurteilung und Bestrafung der allgegenwթԹ)rtigen Genozidleugnung in der Bundesrepublik.
Die Einstellungen des ehemaligen und des amtierenden deutschen Regierungschefs dokumentieren auf je ihre Art zwei substantielle Sachverhalte. Zum einen wird alles Denkbare bemթԹԶht, um der althergebrachten deutschen Geschichtsvergessenheit im Blick auf den Armeniermord weiter Vorschub zu leisten. Zum anderen zeigt sich immer mehr der Wunsch der deutschen VerantwortungstrթԹ)ger, sich der ihnen offenbar lթԹ)stigen Thematik des VթԹԳlkermords und der daraus entstehenden Konsequenzen zu entledigen. Beide Stellungnahmen sind als թԹ)uթժԴerst bedenklich zu bezeichnen. Beide Vorgehensweisen auf der hթԹԳchsten politischen Ebene stellen nicht nur eine deutliche Umkehrung der historischen RealitթԹ)ten dar, sondern auch das Zunichtemachen des erreichten minimalen Fortschritts in Deutschland in der Frage der Aufarbeitung des VթԹԳlkermords an den Armeniern wթԹ)hrend des Ersten Weltkriegs.
Aus der Sicht der GenozidթԹԶberlebenden und ihrer Nachkommen թԹԶbersteigt diese neue politische Haltung die eigentliche Katastrophe des Ersten Weltkriegs um einiges mehr. Denn sie schafft erneut eine erschreckende Lebenswirklichkeit sowohl fթԹԶr die Nachkommen der GenozidթԹԶberlebenden als auch fթԹԶr die Nachfahren der Menschen in den TթԹ)tergesellschaften.
Und letztlich stellt sich wiederholt die Frage danach, ob Deutschland sich erneut in ein Genozidleugnerstaat verwandele oder schlicht zu keinem Zeitpunkt aufgehթԹԳrt habe, ein Genozidleugnerstaat zu sein. Auch wenn die Haltung einzelner Spitzenpolitiker nicht zwingend auf die offizielle staatliche Ebene թԹԶbertragbar ist, wirkt sie gleichwohl folgenschwer und zeitigt ausgedehnte Nachahmungseffekte auf gesellschaftlicher und politischer Ebene.
FթԹԶr GenozidթԹԶberlebende und ihre Nachfahren ist die Schuldfrage eindeutig benennbar und bemeթժԴbar: Der VթԹԳlkermord an den Armeniern war eine geplante Tat der tթԹԶrkischen Nationalisten, die diese mit ideeller und materieller UnterstթԹԶtzung des deutschen Bundesgenossen vollziehen konnten. Das deutsche Kaiserreich, in dem der Armenierhass unter den Gebildeten und Ungebildeten der Nation weit verbreitet war, leistete թ§Չ-Չ mit wenigen heilsamen Ausnahmen թ§Չ-Չ geschթԹ)ftige Beihilfe zum Massenmord. Das wilhelminische Deutschland, das sich auf dem HթԹԳhepunkt des Militarismus und des Imperialismus befand und vielfթԹ)ltige und nachhaltige politische, militթԹ)rische und wirtschaftliche Interessen im Orient verfolgte, war auf allen Ebenen in die Vernichtung der Armenier verstrickt und daran beteiligt. Ohne die musterhafte Treue des wilhelminischen VerbթԹԶndeten waren die tթԹԶrkischen Nationalisten mitnichten im Stande, einen VթԹԳlkermord solchen AusmaթժԴes zu betթԹ)tigen.
Obgleich sich die deutsche Historikerzunft und die deutsche Geschichtsforschung bis jetzt weitgehend diesen Fragen entzogen haben, sind diese penibel und akribisch dokumentiert. Es ist lթԹ)ngst Zeit, dass auch die deutsche Forschungslandschaft sich dieser fundamentalen Fragen annimmt. Denn die Anklage der Nachkommen der Opfer des VթԹԳlkermords durch die Regierungen der TթԹԶrkei und Deutschlands steht im Raum und lթԹ)sst sich durch beharrliches Stillschweigen oder in Abrede stellen nicht aufarbeiten. Die Aufarbeitung des VթԹԳlkermords an den Armeniern stellt eine ureigenste Obliegenheit der Republik TթԹԶrkei und der Bundesrepublik Deutschland dar. Die deutsche Gesellschaft ist an dieser Stelle freilich viel weiter gekommen und die tթԹԶrkische hat sich auf den Weg gemacht, sich ihrer Vergangenheit zu stellen.
Das 100jթԹ)hrige Gedenken an die Opfer des VթԹԳlkermords im Jahre 2015 unter den anhaltenden politischen Konstellationen, die der Genozidleugnung und der Geschichtvergessenheit zum Erfolg verhelfen wollen, steht unausweichlich unter der erdrթԹԶckenden Last der Schuldfrage. Diejenigen, die sich bereits heute mit der Koordination und Organisation der Gedenkveranstaltungen befassen, sollten die neue gefթԹ)hrliche Stimmungslage in der bundesdeutschen Spitzenpolitik berթԹԶcksichtigen und sachgemթԹ)թժԴ darauf reagieren. Die Schuldfrage zu stellen ist allerdings kein Selbstzweck, aus ihr erwթԹ)chst Verantwortung, der sich die politische Elite der Bundesrepublik allzu gern entzieht. Auf kurz oder lang fթԹԶhrt aber kein Weg an der Wahrheit vorbei.
3. Oktober 2012
Arthur Manukian
armenieninfo.net
photo by AAE
Be the first to comment