Nach GroթƒժԴeinsatz gegen Demonstranten Katerstimmung auf dem Taksim-Platz

Zehn Tage lang ist die Lage in Istanbul friedlich, jetzt geht die tթƒԹԶrkische Polizei wieder mit aller Gewalt gegen die Proteste in und um den Taksim-Platz vor. TrթƒԹ)nengas und Wasserwerfer werden gegen rund 10.000 Demonstranten eingesetzt. Jetzt verhթƒԹ)rten sich die Fronten – die Demonstranten schwթƒԹԳren weiteren Widerstand.

Am Morgen ist der Taksim-Platz in Istanbul menschenleer, nur noch թƒԹԶbersթƒԹ)t mit Teilen der von Bulldozern abgerissenen Barrikaden, die die Demonstranten errichtet hatten. Erstmals seit fast zwei Wochen passieren wieder Taxis den Platz. Einige hundert Menschen verharren jedoch in dem in unmittelbarer NթƒԹ)he liegenden Gezi-Park, wo die Proteste ihren Anfang genommen hatten. Die heftigsten Auseinandersetzungen zwischen den Demonstranten und der Polizei liegen nur wenige Stunden zurթƒԹԶck.

“Ist das zu glauben? Sie attackieren Taksim, setzen TrթƒԹ)nengas gegen uns ein, nachdem sie uns gerade erst GesprթƒԹ)che angeboten haben”, sagte der 23-jթƒԹ)hrige Demonstrant Yulmiz in der Nacht. Andere Demonstranten riefen: “Das ist nur der Anfang, der Kampf geht weiter.” Die tթƒԹԶrkische Protestbewegung will sich nicht beugen. Angesichts des Einsatzes kթƒԹԳnne man nicht mehr von Demokratie oder einem Dialog sprechen, hieթƒժԴ es seitens der Organisatoren.

GesprթƒԹ)chsbereitschaft hatte der tթƒԹԶrkische Premier Recep Tayyip Erdogan gegenթƒԹԶber den Demonstranten in Istanbul signalisiert, nun ist seine Geduld offenbar schon wieder vorbei. Zehntausende Demonstranten sind am frթƒԹԶhen Morgen auf dem Taksim-Platz von schwer gerթƒԹԶsteten EinsatzkrթƒԹ)ften der Polizei angegriffen worden. Mit TrթƒԹ)nengas und Wasserwerfern sollen sie die Menschen attackiert haben, berichten Augenzeugen. Die Polizei leistet ganze Arbeit: Am frթƒԹԶhen Morgen ist der Platz weitgehend gerթƒԹ)umt. Nach zehn friedlichen Tagen kehrt die Gewalt in die grթƒԹԳթƒժԴte Stadt der TթƒԹԶrkei zurթƒԹԶck.

Auch in Ankara gehen Tausende auf die StraթƒժԴe

Demonstranten fliehen in Panik vor den Wasserwerfern der Polizei. Demonstranten fliehen in Panik vor den Wasserwerfern der Polizei.(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Fernsehbilder aus Istanbul zeigten, dass sich die Demonstranten in die NebenstraթƒժԴen des Platzes und den benachbarten Gezi-Park zurթƒԹԶckgezogen hatten. Auf dem Platz selbst waren nur noch EinsatzkrթƒԹ)fte und Bulldozer zu sehen, die TrթƒԹԶmmer und Barrikaden wegrթƒԹ)umten. Obwohl die BehթƒԹԳrden versichert hatten, das Protestlager im Gezi-Park nicht zu rթƒԹ)umen, drangen SicherheitskrթƒԹ)fte laut Aktivisten am Abend erneut in das Camp ein. Die Demonstranten harrten aber auch am frթƒԹԶhen Morgen noch in dem Lager aus.

Istanbul ist nicht mehr der einzige Ort, an dem sich Protest regt. ZusammenstթƒԹԳթƒժԴe wurden in der Nacht auch aus der Hauptstadt Ankara gemeldet.թ‚Թ  5000 Menschen forderten dort den RթƒԹԶcktritt der Regierung – sie wurden ebenfalls mit TrթƒԹ)nengas und Wasserwerfern vertrieben. Ein Aufruf hatte am Abend wieder tausende Menschen auf den Taksim-Platz strթƒԹԳmen lassen. FթƒԹԶr manche endete die Nacht im Krankenhaus. Notarztwagen transportierten am Abend Verletzte ab – wieviele es waren, ist noch nicht klar. Auf Fernsehbildern sind Demonstranten zu sehen, die verletzte oder kollabierte Protestler vom Platz schleppen.

Der Gouverneur von Istanbul, HթƒԹԶseyin Avni Mutlu, schiebt den Demonstranten den schwarzen Peter zu. Er beschuldigt sie, die Polizei angegriffen zu haben. Er forderte die BթƒԹԶrger Istanbuls auf, sich vom Taksim-Platz fernzuhalten, bis die Sicherheit wiederhergestellt sei. Der Polizeieinsatz auf dem Platz werde so lange dauern, wie nթƒԹԳtig, sagte er.

Mit Wasserwerfern geht die Polizei gegen die Demonstranten auf dem Taksim-Platz vor. Mit Wasserwerfern geht die Polizei gegen die Demonstranten auf dem Taksim-Platz vor.(Foto: REUTERS)

 

“Ende der Toleranz” ist erreicht

Am zwթƒԹԳlften Tag der Massenproteste ist fթƒԹԶr Erdogan nun trotz seiner GesprթƒԹ)chsangebote das “Ende der Toleranz” erreicht. Die tagelangen Proteste sind fթƒԹԶr ihn bloթƒժԴe “Episode” und die sei nun vorbei, sagte er vor Abgeordneten der Regierungspartei AKP in Ankara. Laut n-tv-Reporter Cord Eickhoff glaubt vor Ort kaum noch jemand daran, dass diese GesprթƒԹ)che stattfinden soll -թ‚Թ  es habe nicht einmal formale Anfragen gegeben. Bereits vor knapp einer Woche hatte Erdogan zunթƒԹ)chst versթƒԹԳhnlichere TթƒԹԳne angeschlagen und dann die Wasserwerfer geschickt.

Nach dem knallharten Polizeieinsatz legte der Regierungschef auch verbal nach. Die Anti-Regierungsproteste bezeichnete Erdogan als gezielten Angriff zur SchwթƒԹ)chung des Landes. “Die tթƒԹԶrkische Wirtschaft war das Ziel dieser Ereignisse.” Die Anstrengungen, die unternommen wթƒԹԶrden, um dem Image der TթƒԹԶrkei zu schaden, seien Teil eines systematischen Plans, so Erdogan weiter. Erneut forderte der Regierungschef die Demonstranten dazu auf, den Gezi-Park im Zentrum Istanbuls zu verlassen.

Recep Tayyip Erdogan inmitten der AKP-Parlamentarier. Recep Tayyip Erdogan inmitten der AKP-Parlamentarier.(Foto: REUTERS)

 

In einer Rede vor Abgeordneten von Erdogans islamisch-konservativen Regierungspartei AKP in Ankara dankte der MinisterprթƒԹ)sident der PolizeifթƒԹԶhrung. Er verteidigte im Fernsehen den Einsatz und warf den Demonstranten Vandalismus und erhebliche ZerstթƒԹԳrungen bei den Protesten in den vergangenen zwei Wochen vor. Sie hթƒԹ)tten sich von Extremisten und internationalen Finanzkreisen instrumentalisieren lassen. Es gebe einen Versuch, die TթƒԹԶrkei mit Beteiligung auslթƒԹ)ndischer KrթƒԹ)fte wirtschaftlich in die Knie zu zwingen und Investoren einzuschթƒԹԶchtern. Auch die auslթƒԹ)ndische Presse sei beteiligt.

Kritik prasselt auf Erdogan ein

International gab es neue Kritik an Erdogans harter Linie. Der Europaabgeordnete Elmar Brok (CDU) kann Erdogans Politik nicht nachvollziehen. Wenn dieser GesprթƒԹ)che mit den regierungskritischen Demonstranten ankթƒԹԶndige, zuvor jedoch Kundgebungen gewaltsam auflթƒԹԳsen lasse, “dann weiթƒժԴ ich nicht, wo die GesprթƒԹ)chslinie liegen kann”, sagte der Vorsitzende des AuswթƒԹ)rtigen Ausschusses im Europaparlament im Deutschlandfunk. “Ich fթƒԹԶrchte, er թƒԹԶberschreitet eine Linie, die es ganz schwer machen wird, wieder zu friedlichen VerhթƒԹ)ltnissen zurթƒԹԶckzukehren”, sagte Brok.

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus LթƒԹԳning, hatte das Vorgehen der Polizei bei der RթƒԹ)umung des Taksim-Platzes ebenfalls kritisiert. “Mir macht das groթƒժԴe Sorgen, wenn ich den Einsatz der Wasserwerfer und der groթƒժԴen Maschinen sehe”, sagte der FDP-Politiker bei n-tv. Auf keinen Fall dթƒԹԶrfe “Gewalt gegen Menschen” eingesetzt werden. Die Verantwortung dafթƒԹԶr liege “bei denjenigen, die politisch das Sagen haben”.

Cem թƒՉ€“zdemir Cem թƒՉ€“zdemir(Foto: picture alliance / dpa)

Die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen forderte einen Stopp der EU-BeitrittsgesprթƒԹ)che mit der TթƒԹԶrkei. GrթƒԹԶnen-Chef Cem թƒՉ€“zdemir hingegen warb fթƒԹԶr deren Fortsetzung. “Wir dթƒԹԶrfen nicht den letzten Hebel zur UnterstթƒԹԶtzung der Demokratisierung der TթƒԹԶrkei aus der Hand geben”, sagte թƒՉ€“zdemir der “Stuttgarter Zeitung”. Erdogan entwickele sich zunehmend vom Reformer zum Alleinherrscher sagte թƒՉ€“zdemir am Morgen bei n-tv.թ‚Թ  Ein Aussetzen der Beitrittsverhandlungen der TթƒԹԶrkei zur EU wթƒԹԶrde Erdogan in die HթƒԹ)nde spielen.

“Dann kann er schalten und walten wie er will”, sagte der GrթƒԹԶnen-Politiker. Vielmehr mթƒԹԶsse man die jungen Menschen stթƒԹ)rken, die sich “kaum von unseren jungen Menschen” unterschieden. “Heute kann man in tթƒԹԶrkischen Zeitungen lesen, dass sogar Kinder von AKP-Abgeordneten, also von Abgeordneten seiner eigenen Partei mitdemonstriert haben”, sagte er. Das zeige, dass es um den Erhalt der Natur gehe, dass die Menschen Demokratie und Meinungsfreiheit wollten. “Alles Dinge, die in einer Demokratie normal sind.”

Der auթƒժԴenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Philipp MiթƒժԴfelder, plթƒԹ)dierte fթƒԹԶr eine privilegierte Partnerschaft mit der TթƒԹԶrkei. “Wir brauchen das Land als Mittler”, sagte MiթƒժԴfelder im TV-Sender Phoenix. FթƒԹԶr einen Beitritt sei der Zug “erst einmal abgefahren”. Die TթƒԹԶrkei fթƒԹԶhrt bereits seit 2005 Verhandlungen mit der EU, die GesprթƒԹ)che kommen jedoch kaum voran.

Vom Platzprotest zum FlթƒԹ)chenbrand

Im Zentrum der grթƒԹԳթƒժԴten tթƒԹԶrkischen Stadt war es in den vergangenen Tagen wiederholt zu gewaltsamen ZusammenstթƒԹԳթƒժԴen zwischen Polizei und Demonstranten gekommen. ZunթƒԹ)chst hatten die Menschen gegen die geplante Umgestaltung des Taksim-Platzes aufbegehrt. Die Protestwelle hatte sich dann an der brutalen RթƒԹ)umung eines Protestlagers im Gezi-Park am Randes des Platzes entzթƒԹԶndet. Inzwischen richten sich die Demonstrationen vor allem gegen den als autoritթƒԹ)r kritisierten Kurs Erdogans und seiner islamisch-konservativen Partei. Sie hat auch zahlreiche andere StթƒԹ)dte erfasst.

Bei ZusammenstթƒԹԳթƒժԴen mit der Polizei wurden dabei in den vergangenen eineinhalb Wochen landesweit laut Erdogan vier Menschen getթƒԹԳtet und nach Angaben des tթƒԹԶrkischen թƒՉ€žrztebunds 5000 Menschen verletzt. Aufsehen erregte auch der Selbstmord von sechs Polizisten. Die SicherheitskrթƒԹ)fte wurden wegen ihres harten Einschreitens im Inland wie im Ausland kritisiert.

Nach Erdogans Drohungen gegen die Protestbewegung forderte der Vorsitzende der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP), Kemal Kilicdaroglu, den Regierungschef zur MթƒԹ)թƒժԴigung auf. “Eine Politik, die sich aus Spannung nթƒԹ)hrt, stթƒԹԶrzt die Gesellschaft ins Feuer”, zitierte die Tageszeitung “HթƒԹԶrriyet” den Politiker.

TթƒԹԶrkeitouristen sollten derzeit die groթƒժԴen StթƒԹ)dte meiden, die Badeorte am Meer seien aber sicher, sagte n-tv-Reporter Cord Eickhoff.

www.n-tv.de

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