Der Publizist GթԹԶnter Wallraff թԹԶber den erneuten Prozess gegen den Schriftsteller Dogan Akhanli und die Islamisierung der TթԹԶrkei
nd: Dogan Akhanli wird in der TթԹԶrkei am 31. Juli erneut der Prozess gemacht. Obwohl ein Gericht ihn vom Vorwurf, an einem RaubթԹԶberfall mit Mord beteiligt gewesen zu sein, freigesprochen hat. Alle Zeugen hatten ihn entlastet. WofթԹԶr steht die Wiederaufnahme des Verfahrens?
Wallraff: Der Fall Akhanli ist leider kein Einzelfall. Auch die Autorin und Frauenrechtlerin Pinar Selek ist ja in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt worden թ§Չ-Չ nachdem sie zuvor viermal freigesprochen worden war. Selek wurde ein Bombenanschlag angelastet, obwohl sich im Nachhinein herausstellte, dass die Ursache eine explodierende Gasflasche war. Die Prozessfarce war թԹ)hnlich absurd. Kritische Journalisten werden entlassen, KթԹԶnstler willkթԹԶrlich kriminalisiert. Die TթԹԶrkei will dadurch Kritiker abschrecken, die sich fթԹԶr Demokratie, Pressefreiheit und Menschenrechte einsetzen. Rechtsstaatlichkeit darf in so einem System nichts bedeuten.
Will das Land nicht mehr in die EU?
Ich glaube, diesen Wunsch hat die TթԹԶrkei lթԹ)ngst aufgegeben. Das Land geht den Weg in die Islamisierung und wird zu einem bekennenden Unrechtsstaat. Laizistische Lehrer werden abgesetzt, kritische Studenten von der UniversitթԹ)t geworfen, die Presse zunehmend auf AKP-Linie getrimmt, nicht genehme Journalisten werden ausgebootet oder sogar inhaftiert. Richter werden vom Staat gezwungen, ihre FreisprթԹԶche zu kassieren թ§Չ-Չ die FթԹ)lle Akhanli und Selek sind nur zwei prominente Beispiele von vielen.
WofթԹԶr stehen die aktuellen Demonstrationen gegen MinisterprթԹ)sident Erdogan?
Ein groթժԴer Teil der BevթԹԳlkerung, der sich bisher wegen des wirtschaftlichen Aufschwungs zurթԹԶckgehalten hat, merkt inzwischen, dass Erdogan mit seinem autokratischen Sultansgehabe eine radikale, alle Lebensbereiche erfassende Islamisierung betreibt. Das FթԹ)llen der BթԹ)ume auf dem zentralen Taksim-Platz war lediglich der Auftakt fթԹԶr eine parteiթԹԶbergreifende und selbstbewusste Demokratisierungsbewegung unterschiedlicher Schichten, die թ§Չ-Չ das ist Neue թ§Չ-Չ keine AnfթԹԶhrer braucht.
Wohin kann diese Bewegung fթԹԶhren?
Zu hoffen ist, dass es zu einer StթԹ)rkung und SouverթԹ)nitթԹ)t der demokratischen Zivilgesellschaft fթԹԶhrt und nicht die Drohung Erdogans, Millionen seiner AnhթԹ)nger auf die StraթժԴe zu bringen, am Ende noch einen BթԹԶrgerkrieg provoziert.
Der verlorene Sohn
Ein tթԹԶrkisches Gericht hob den Freispruch gegen Dogan Akhanli auf թ§Չ-Չ doch Ende Juli wird dem in KթԹԳln lebenden Schriftsteller erneut der Prozess gemacht. Bei Akhanli reiթժԴt ein Trauma auf, das er glaubte, nach 22 Jahren թԹԶberwunden zu haben. Mehr
Im Oktober 2011 ist Akhanli wohl auch wegen թԹԳffentlichen Drucks freigesprochen worden. Sie haben den Prozess vor Ort beobachtet. Als bekannt wurde, dass ihm erneut der Prozess gemacht wird, haben ein paar Kultur-Journalisten berichtet, sonst blieb es erstaunlich ruhig. Zu ruhig?
թՉffentlicher Druck ist ungemein wichtig. Man wթԹԶrde sich bei derartigen FթԹ)llen von WillkթԹԶr in der tթԹԶrkischen Justiz wթԹԶnschen, wenn der AuթժԴenminister oder die Kanzlerin sich zu Wort melden wթԹԶrden. Angela Merkel hat das, wenn es um Menschenrechte in China oder Russland ging, zumindest ab und zu zaghaft mal getan. Aber man darf da von der Politik nicht zu viel erwarten թ§Չ-Չ wirtschaftliche Interessen sind der Regierung bekanntlich wichtiger.
Was werden sie tun, wenn am 31. Juli der neue Prozess gegen Akhanli beginnt?
Ich werde wieder vor Ort sein թ§Չ-Չ wenn man mich denn lթԹ)sst. Seit meinem Buch թ§Չ-ժԷGanz untenթ§Չ-ժ, fթԹԶr das ich ja zwei Jahre lang in der Rolle eines tթԹԶrkischen Gastarbeiters unterwegs war, habe ich viele Freunde in der TթԹԶrkei. Meine Bekanntheit mթԹԳchte ich nutzen, um auf die katastrophale politische Entwicklung des Landes aufmerksam zu machen.
Sie haben Anfang des Jahres im Berliner Senat einen Deutsch-TթԹԶrkischen Kulturpreis erhalten. Geehrt wurden Sie unter anderem, weil das Buch թ§Չ-ժԷGanz untenթ§Չ-ժ so viel bewegt habe. Haben die TթԹԶrken sich inzwischen geթԹ)rgert, Ihnen den Preis verliehen zu haben?
WeiթժԴ ich nicht. Ich habe zumindest auch bei der Preisverleihung angesprochen, wie unsթԹ)glich die TթԹԶrkei Systemkritiker behandelt und wie intolerant das Land mit christlichen KultstթԹ)tten umgeht. Das steht in keinem VerhթԹ)ltnis zur Bereitschaft der deutschen Politik, Moscheen zu akzeptieren und sich fթԹԶr sie einzusetzen.
Wie hat der tթԹԶrkische Botschafter, der Ihnen den Preis verliehen hat, auf Ihre Kritik reagiert?
Wallraff: Er hat das relativiert und darauf verwiesen, dass es inzwischen immerhin auch eine armenische Kirche in Istanbul gebe. Eine! Das viele TթԹԶrken den VթԹԳlkermord an den Armeniern bis heute leugnen und Armenier weiter diskriminiert werden, hat er nicht angesprochen. Die Armenier-Frage ist ja eines der groթժԴen Themen von Dogan Akhanli. Dieser Genozid ist fթԹԶr die TթԹԶrkei nach wie vor unbewթԹ)ltigte Vergangenheit, das ist der Hauptgrund dafթԹԶr, seinen Fall nun erneut vor Gericht zu zerren. Das ist reinste Rache- und WillkթԹԶrjustiz.
Interview: Uli Kreikebaum
neues-deutschland.de
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