Auch davon will PrթԹ)sident Erdogan nichts wissen: Die Historikerin Talin Suciyan beschreibt in einem Buch neue Details der leidvollen Geschichte der Armenier in der TթԹԶrkei, die den VթԹԳlkermord von 1915 bis heute leugnet. 20.04.2016, von Rainer Hermann
Der Genozid des Jahres 1915 war das schwթԹ)rzeste Kapitel in der Geschichte des armenischen Volkes. Nur wenige mehr als hunderttausend Armenier haben auf dem Boden der heutigen TթԹԶrkei, ihrer Heimat, թԹԶberlebt. Die meisten թժberlebenden begannen in der Diaspora ein neues Leben. Doch auch die ersten Jahrzehnte in der 1923 gegrթԹԶndeten Republik TթԹԶrkei sollten fթԹԶr die Armenier Istanbuls und Anatoliens ein dunkles Kapitel werden.
Die Historikerin Talin Suciyan, die in Istanbul geboren wurde, zeichnet in ihrer Monographie nach, wie der neue tթԹԶrkische Nationalstaat mit seiner Politik der Leugnung des Genozids und parallel die tթԹԶrkische Gesellschaft in einem Alltag von Diskriminierungen die Armenier dazu zwangen, sich diesem Diskurs der Leugnung zu fթԹԶgen. Wertvoll macht die Studie թԹԶber die Armenier in der TթԹԶrkei, dass Suciyan armenische Zeitungen ausgewertet hat, die in Istanbul erschienen sind und bislang kaum beachtet wurden, und weil sie zahlreiche armenische Zeitzeugen interviewte.
Was die tթԹԶrkische Geschichtsschreibung ausblendet
Die an der Ludwig-Maximilians-UniversitթԹ)t MթԹԶnchen tթԹ)tige Suciyan legt damit einen Blick auf die Geschichte der TթԹԶrkei in der ersten HթԹ)lfte des zwanzigsten Jahrhunderts frei, der sich von der traditionellen tթԹԶrkischen Geschichtsschreibung unterscheidet. Denn diese blendet die Geschichte von Minderheiten wie der Kurden, Armenier, Griechen und assyrischen Christen aus, obwohl sie wesentlich zum kulturellen Erbe Anatoliens beigetragen haben.
թԹ. PHOENIX/NDR/Lepsius Archiv Massenmord und Vertreibung: Armenier auf dem Treck in die WթԹԶste. Nur wenige Kinder wurden von Hilfsorganisationen gerettet.
Erst in jթԹԶngerer Zeit haben auch tթԹԶrkische Historiker begonnen, Exzesse des tթԹԶrkischen Staats gegen die Minderheiten aufzuarbeiten – wie die Vertreibung der Juden 1934 aus Thrakien, die Niederschlagung des kurdischen Aufstands 1938 in Dersim, die prohibitive VermթԹԳgensabgabe von Nichtmuslimen 1942, der Pogrom gegen die Griechen 1955 und deren Vertreibung aus Istanbul 1964. Kein moderner Staat habe die physische und kulturelle Existenz von Minderheiten derart systematisch ausgelթԹԳscht wie die TթԹԶrkei, zitiert die Autorin den Historiker Hans-Lukas Kieser.
Wer in Anatolien als Armenier թԹԶberlebte – und nicht wie viele Kinder zwangsislamisiert wurde, oder, um zu թԹԶberleben, zum Islam konvertierte – lieթժԴ sich in Istanbul nieder. Damit ging nahezu die gesamte reiche armenische Kultur Anatoliens verloren. Und in Istanbul, wo heute fast alle der achtzigtausend tթԹԶrkischen Armenier leben, wurden die թժberlebenden damit konfrontiert, dass sie nicht willkommen waren, da sie bei dem Prozess der Schaffung eines homogenen tթԹԶrkischen Nationalstaats nur stթԹԳrten. Riza Nur sprach es 1923 offen aus: Die TթԹԶrkei kթԹԳnne fթԹԶr die Armenier keine Heimat sein.
Die Eltern sind verschwunden: armenische Waisenkinder 1915.
թԹ. PHOENIX/NDR/Lepsius Archiv Die Eltern sind verschwunden: armenische Waisenkinder 1915.
Mit vielen Beispielen aus dem Alltag zeichnet Suciyan nach, was das bedeutet hat: Razzien, die Enteignung von Immobilien der Gemeinde, die EntfթԹԶhrung schulpflichtiger MթԹ)dchen, die willkթԹԶrlich praktizierte Wehrpflicht fթԹԶr Mitglieder der Minderheiten, das Verbot von armenischen Publikationen. Die willkթԹԶrlich ausgelegte թ§Չ-ժԷHerabsetzung des TթԹԶrkentumsթ§Չ-ժ wurde ein Straftatbestand, andere durften aber herabgewթԹԶrdigt und beleidigt werden. Das Ziel war: Die Armenier sollten assimiliert werden oder das Land verlassen.
faz.net
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