Festnahmen von Oppositionellen in der TթƒԹԶrkei ,

Festnahmen von Oppositionellen in der TթƒԹԶrkeiSchlag auf Schlag

Der tթƒԹԶrkische PrթƒԹ)sident Erdogan geht hart gegen seine Gegner vor. Nun trifft es die pro-kurdische Partei HDP, elf Politiker wurden festgenommen. Radikale Kurden rufen zum Aufstand auf, in der TթƒԹԶrkei droht BթƒԹԶrgerkrieg.

Von Hasnain Kazim

Figen YթƒԹԶksedag hat ihr Schicksal vorausgesehen. Im Sommer sagte die Co-Chefin der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP, dass sie mit ihrer Festnahme rechne. “Das Erdogan-Regime wird uns verfolgen, sie wollen die Opposition beseitigen.” Damals war gerade der Putsch in der TթƒԹԶrkei gescheitert. Weil der Ausnahmezustand gelte, kթƒԹԳnne sie jederzeit verhaftet werden, so YթƒԹԶksedag. Die Situation im Land sei dramatisch. “Was jetzt passiert, ist ein Coup gegen die Opposition.”

YթƒԹԶksedag sollte recht behalten: In der Nacht zum Freitag wurden sie, ihr Co-Parteichef Selahattin Demirtas und neun weitere HDP-Abgeordnete festgenommen. Haftbefehle gegen zwei weitere Politiker wurde nicht vollstreckt, die Gesuchten sind derzeit im Ausland.

Das Vorgehen zeigt einmal mehr, wie Erdogan den Staat innerhalb kթƒԹԶrzester Zeit nach seinen Vorstellungen umformt.

Am Montag wurden 13 Journalisten der regierungskritischen Zeitung “Cumhuriyet” festgenommen, vergangene Woche die beiden BթƒԹԶrgermeister der թƒԹԶberwiegend von Kurden bewohnten GroթƒժԴstadt Diyarbakir im SթƒԹԶdosten der TթƒԹԶrkei.

Nun hat es die HDP getroffen. Ein Video, das die Partei im Internet verbreitet hat, zeigt, wie die Polizei in die Wohnung von YթƒԹԶksedag eindringt. Eine MթƒԹ)nnerstimme bittet die Polizisten, die versuchen, die TթƒԹԶr aufzubrechen, fթƒԹԶnf Minuten zu warten – ein Anwalt sei auf dem Weg. Doch die Beamten machen weiter. “Was dringen Sie hier ein wie Banditen?”, wirft ihnen YթƒԹԶksedag an den Kopf. Ein Polizist verweist auf einen Beschluss der Staatsanwaltschaft. “Sie sind ein Bandit und Ihr Staatsanwalt auch!”, entgegnet YթƒԹԶksedag.

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Erdogans Albtraum

Es ist noch gar nicht lange her, dass die HDP einen sensationellen Erfolg feierte: Am 7. Juni 2015 nahm sie mit 13,1 Prozent der Stimmen als erste pro-kurdische Partei die Zehn-Prozent-HթƒԹԶrde und zog in das tթƒԹԶrkische Parlament ein. Endlich hatten all die UnterdrթƒԹԶckten, fթƒԹԶr die die HDP stand, eine parlamentarische Stimme.

FթƒԹԶr StaatsprթƒԹ)sident Recep Tayyip Erdogan und seine AKP war es ein Albtraum. Die Regierungspartei verfehlte durch den Einzug der HDP die absolute Mehrheit und hatte somit nicht die Macht, die Verfassung im Alleingang zugunsten eines PrթƒԹ)sidialsystems zu թƒԹ)ndern. Immer mehr entpuppte die HDP sich als echte Opposition – und damit als Hindernis fթƒԹԶr Erdogan.

Eine Koalition kam nicht zustande. Erdogan lթƒԹԳste das Parlament auf und setzte fթƒԹԶr den 1. November 2015, keine fթƒԹԶnf Monate nach der zurթƒԹԶckliegenden Abstimmung, erneut Wahlen an. Im Wahlkampf setzte er nun mehr als zuvor darauf, die HDP als politischen Arm der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, die als Terrororganisation eingestuft ist, zu brandmarken – in der Hoffnung, dass sie den Einzug ins Parlament verpasse.

Doch der Plan ging nicht auf, die HDP erzielte immer noch 10,8 Prozent. Die AKP erzielte nun zwar die absolute Mehrheit, jedoch nicht die von Erdogan erhofften Zwei-Drittel-Mehrheit, um die Verfassung zu թƒԹ)ndern.

FriedensgesprթƒԹ)che? Sind lթƒԹ)ngst Geschichte

“Seither sind wir kontinuierlich das Ziel von Angriffen Erdogans”, sagte der HDP-Co-Chef Demirtas kթƒԹԶrzlich in einem Telefonat. Im Mai dieses Jahres hob das tթƒԹԶrkische Parlament die ImmunitթƒԹ)t von allen Abgeordneten auf, gegen die strafrechtlich ermittelt wurde. Es war ein gezielter Akt gegen die HDP, denn gegen nahezu sթƒԹ)mtliche ihrer Abgeordneten liefen Verfahren wegen “Mitgliedschaft in einer Terrororganisation” oder wegen “Terrorpropaganda” – wegen angeblicher NթƒԹ)he zur PKK.

TatsթƒԹ)chlich hat die PKK die TթƒԹԶrkei zuletzt mit Terror թƒԹԶberzogen, hat SprengsթƒԹ)tze gelegt und Autobomben platziert und dabei Polizisten und Soldaten, aber auch Zivilisten getթƒԹԳtet. Die im Sommer 2013 begonnenen FriedensgesprթƒԹ)che zwischen Regierung und PKK sind lթƒԹ)ngst Geschichte. Die AKP wirft der PKK vor, sie mit dem Griff zu den Waffen beendet zu haben. Die PKK wiederum behauptet, die AKP habe sie von sich aus nach dem Wahlerfolg der HDP abgebrochen, weil Erdogan gemerkt habe, dass viele kurdische WթƒԹ)hler ihm die Verhandlungen nicht dankten.

Und die HDP? Sie hat sich offiziell immer von der PKK distanziert und dazu aufgerufen, die Waffen niederzulegen. Gleichzeitig haben aber einzelne HDP-Politiker gelegentlich Bemerkungen fallen lassen, die Erdogans Theorie vom politischen Arm der PKK befeuerten.

PKK droht mit neuer Gewalt

“Die Frage ist doch, ob es wirklich Terror ist oder ob das angesichts des diktatorischen Vorgehens Erdogans nicht ein berechtigter Widerstand ist”, sagt ein PKK-Vertreter SPIEGEL ONLINE am Telefon. “Was sollen wir denn tun, wenn Zeitungen verboten, Kritiker eingesperrt und nun sogar gewթƒԹ)hlte und hoch respektierte Politiker einfach ins GefթƒԹ)ngnis geworfen werden?”

“Erdogan will die Kurden ausradieren”, sagt auch der Chef der syrischen Kurdenpartei PYD, Salih Muslim. Die Verhaftung der Abgeordneten sei erst der Anfang. “Er wird den Krieg so lange weiterfթƒԹԶhren, bis keiner von uns mehr թƒԹԶbrig ist.” Muslim fordert, die EU mթƒԹԶsse eingreifen: “Bald schon kթƒԹԳnnte es zu spթƒԹ)t sein.”

In der PKK aber sieht man sich in der Strategie der Gewalt offensichtlich bestթƒԹ)tigt. Am Freitagmorgen, wenige Stunden nach den Festnahmen der HDP-Politiker, explodierte in Diyarbakir ein Sprengsatz, ein Mensch wurde getթƒԹԳtet, Dutzende verletzt.

Am Vormittag verbreitete sie im Internet einen Aufruf: “Es gibt nichts mehr zu sagen. թƒժ“berall in Kurdistan und alle Kurden auf der Welt mթƒԹԶssen gegen diese Angriffe aufstehen und protestieren.” Der BթƒԹԶrgerkrieg, der seit թƒԹԶber einem Jahr im SթƒԹԶdosten der TթƒԹԶrkei tobt, droht nun auf die ganze TթƒԹԶrkei թƒԹԶberzugreifen.


Zusammengefasst: Die tթƒԹԶrkische Regierung geht hart gegen Oppositionelle vor – nach den Journalisten von “Cumhuriyet” trifft es nun Politiker der pro-kurdischen Partei HDP. Diese haben sich als Stimme der UnterdrթƒԹԶckten im Parlament profitiert und hindern PrթƒԹ)sident Erdogan seit LթƒԹ)ngerem an seinen PlթƒԹ)nen, die Verfassung zu թƒԹ)ndern. Er rթƒԹԶckt die HDP in NթƒԹ)he von Terroristen und sieht sie als politischen Arm der verbotenen Arbeiterpartei PKK. Die HDP bestreitet das. Nach den Festnahmen droht die PKK – die immer wieder AnschlթƒԹ)ge verթƒԹԶbt -, die TթƒԹԶrkei mit Gewalt zu թƒԹԶberziehen.

Diplomatische Spannungen

Mitarbeit: Maximilian Popp

Zum Autor
Hasnain Kazim

Jeannette Corbeau

Hasnain Kazim ist Korrespondent fթƒԹԶr SPIEGEL ONLINE in Wien.

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