
Nach der jungtթԹԶrkischen Revolution von 1908 traten die Beziehungen zwischen beiden LթԹ)ndern in eine neue Phase, in der Deutschland seine Machtposition in Istanbul dank der TթԹ)tigkeit seiner in den tթԹԶrkischen Diensten stehenden Offiziere ausbauen konnte. Der Staatsstreich vom 23. Januar 1913 brachte germanophile Offiziere wie Mahmut Sevket Pascha an die Macht, was den deutschen Einfluss in der tթԹԶrkischen Hauptstadt festigte.
ie Botschafter der europթԹ)ischen GroթժԴmթԹ)chte waren in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Istanbul so einflussreich, dass die tթԹԶrkischen StaatsmթԹ)nner auf die Hilfe der fremden MթԹ)chte angewiesen waren, um թԹԶberhaupt an die Macht zu kommen. Die Paschas, die mit UnterstթԹԶtzung eines europթԹ)ischen Landes an die Macht gekommen waren, bemթԹԶhten sich natթԹԶrlich darum, den Einfluss ihrer UnterstթԹԶtzer in Istanbul zur Geltung zu bringen. WթԹ)hrend Reթ ժԴit Pascha z. B. seine politische Karriere dem englischen Botschafter Canning zu verdanken hatte, war Ali Pascha fթԹԶr seine frankophilen Ansichten bekannt. Aufgrund seiner russlandnahen Politik wurde Mahmut Nedim Pascha ein Spielzeug in den HթԹ)nden des russischen Botschafters Ignatiew in Istanbul. Der osmanische Generalstabschef Ahmet Izzet Pascha verweist in einer Schrift darauf, dass diese von den tթԹԶrkischen Paschas hingenommenen und den Nationalstolz verletzenden UmstթԹ)nde einer der wichtigsten GrթԹԶnde fթԹԶr den Zerfall des Osmanischen Reiches gewesen seien.
Der Aufstieg Deutschlands zu Macht und Einfluss im Osmanischen Reich
Als Deutschland nach der ReichsgrթԹԶndung im Jahre 1871 sehr rasch zu einer GroթժԴmacht in Europa emporstieg, verթԹ)nderte sich die MթԹ)chtekonstellation von Grund auf. Die Situation fթԹԶhrte zu einer AnnթԹ)herung zwischen England und Russland. Mit anderen Worten: Die beiden Staaten intensivierten ihre bilateralen Beziehungen gegenseitig. Wegen der tief greifendenթԹ politischen, kulturellen, militթԹ)rischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der TթԹԶrkei und Deutschland setzte sich die deutsche FթԹԶhrung fթԹԶr die territoriale IntegritթԹ)t des Osmanischen Reiches gegenթԹԶber seinen Konkurrenten England, Frankreich und Russland ein. In der Zeit davor war dies von England praktiziert worden.
Ab diesem Zeitpunkt beeinflusste der deutsche Botschafter Baron Marschall von Bieberstein die politischen Geschehnisse in Istanbul in starkem MaթժԴe. Nachdem Marshall von Bieberstein Ferit Pascha als StadtprթԹ)fekt in zentralanatolischen Konya kennen gelernt hatte, hatte er den Sultan AbdթԹԶlhamit II. dahingehend beeinflusst, dass er Ferit Pascha zum GroթժԴwesir ernannte.
Kaiser Wilhelm II. unterstթԹԶtzt die panislamische Politik des tթԹԶrkischen Sultans
WթԹ)hrend der zweiten Kaiserreise von Wilhelm II. im Jahre 1898 erreichte die politisch-diplomatische UnterstթԹԶtzung der TթԹԶrkei durch Deutschland ihren HթԹԳhepunkt. BeiթԹ dieser Reise tat der deutsche Kaiser kund, dass sein Land die panislamische Politik der TթԹԶrkei voll unterstթԹԶtze. Deutschland ging allerdings bezթԹԶglich dieser Frage noch weiter und appellierteթԹ 1908 im Nahmen der tթԹԶrkischen Regierung an die chinesische Regierung, auf die Rechte der Muslime in der autonomen Region Xinjiang-Uighur zu achten.
Die panislamische Politik war ein wichtiger Bestandteil der damaligen TթԹԶrkeipolitik des Kaiserreichs gewesen. In diesem Zusammenhang ist es erwթԹ)hnenswert, dass Deutschland wթԹ)hrend des Ersten Weltkrieges (1915) mit der TթԹԶrkei gemeinsam eine Mission nach AfghanistanթԹ schickte. Da die tթԹԶrkischen Delegierten nach einiger Zeit zurթԹԶckberufen wurden, traten die Deutschen unter FթԹԶhrung von Oskar von Niedermayer im August 1915 allein in Kabul an. Deren Mission bewirkte, dass der afghanische KթԹԳnig Habibullah versuchte, den Emir von Afghanistan, zu einem Krieg gegen Indien zu bewegen, um England in seinen Kolonien zu treffen. Habibullah sagte Niedermayer, dass er jedoch auf die Ankunft der versprochenen gemeinsamen deutsch-tթԹԶrkischen Armee warten werde.
Die Saloniki-Gruppe des Vereins fթԹԶr Einheit und Fortschritt
Dem von der nationalen tթԹԶrkischen Offizieren gegrթԹԶndeten թ§Չ-ժԷVerein fթԹԶr Einheit und Fortschrittթ§Չ-ժ und seinen fթԹԶhrenden Gruppen war ebenfalls klar, dass man sich um die UnterstթԹԶtzung einer europթԹ)ischen GroթժԴmacht bemթԹԶhen sollte, um in Istanbul an die Macht zu kommen. Am Anfang sympathisierten die darin versammelten JungtթԹԶrken mit England und Frankreich. Diese betrachteten Deutschland als diejenige europթԹ)ische Macht, die den despotischen Monarchen am Bosporus unterstթԹԶtzt. In der Monastir-Gruppe des Vereins war die Feindschaft Deutschland gegenթԹԶber so թԹԶbertrieben, dass man sogar beim Eintritt in diese Geheimgesellschaft auf die Beendigung des deutschen Einflusses in Istanbul schwor.
Dagegen konnte man innerhalb der so genannten Saloniki-Gruppe des թ§Չ-ժԷVereins fթԹԶr Einheit und Fortschrittթ§Չ-ժ weder von einem starken englischen Einfluss noch von einer Deutschlandfeindlichkeit sprechen. Die Entwicklung der Handelsbeziehungen zwischen Saloniki einerseits und Deutschland und թՉsterreich andererseits fթԹԶhrte zu einer AnnթԹ)herung der Kaufleute aus Saloniki an Deutschland. Die Deutschen arbeiteten in dieser Epoche hauptsթԹ)chlich mit den Juden und Muslimen zusammen, die bereit und willig waren.
Man betrachtete die jungtթԹԶrkische Revolution auf den ersten Blick als Erfolg Englands und Misserfolg Deutschlands. Aber England konnte die national gesinnten JungtթԹԶrken bald darauf nicht lթԹ)nger dulden. So fingen die Briten an, gegen die JungtթԹԶrken zu arbeiten, indem sie nun die Partei fթԹԶr Freiheit und Einigung unterstթԹԶtzten anstelle der Partei fթԹԶr Einheit und Fortschritt.
Die deutschen Reformoffiziere bildeten tթԹԶrkische Offiziere aus
Deutschland legte Wert auf die Ausbildung der tթԹԶrkischen Offiziere in deutschen Kasernen, bzw. MilitթԹ)rschulen. Diese leistete auch einen groթժԴen Beitrag fթԹԶr die Entwicklung der Beziehungen zwischen beiden LթԹ)ndern im Handel und in der Politik. Berlin verlieթժԴ sich auf die jungen Offiziere, die eine deutsche Ausbildung entweder in der TթԹԶrkei oder in Deutschland genossen.
Vor allem spielten die deutschen MilitթԹ)rmissionen in der թՉra von AbdթԹԶlhamid II. bei der VerstթԹ)rkung des deutschen Einflusses in der TթԹԶrkei eine entscheidende Rolle, was auch vom deutschen Kriegsministerium in einem Lagebericht bestթԹ)tigt wurde. Diejenigen tթԹԶrkischen Offiziere, die ihre Ausbildung in Deutschland absolvierten, hatten nach ihrer RթԹԶckkehr wichtige Posten in Istanbul inne. Ali Riza Pascha zum Beispiel, der zwischen 1882 und 1886 beim Feldartillerieregiment in Oranien (Niederlande) gedient hatte, ernannte man nach seiner RթԹԶckkehr zum Chef der tթԹԶrkischen Artillerieabteilung im tթԹԶrkischen Kriegsministerium.թԹ
Aus den deutschen Konsularberichten geht hervor, dass der aufrichtige Deutschlandfreund Oberst Pertev Bey als tթԹԶrkischer MilitթԹ)rattachթԹ. nach Berlin geholt werden solle. DarթԹԶber hinaus organisierte der deutsche MilitթԹ)rattache Hauptmann von Morgen Bildungsreisen fթԹԶr die tթԹԶrkischen Offiziere nach Deutschland. So war der deutsche Einfluss bereits im Jahre 1913 sowohl im Komitee der Partei fթԹԶr Einheit und Fortschritt als auch in der tթԹԶrkischen Armee felsenfest gewesen.
Ein OstpreuթժԴe in den tթԹԶrkischen Diensten – Freiherr Colmar von der Goltz
Freiherr Colmar von der Goltz, der zwischen 1883 und 1895 bei der Kriegsakademie in Istanbul als Lehrer tթԹ)tig gewesen war, erzog seine SchթԹԶler mit eiserner preuթժԴischer Disziplin. Dies fթԹԶhrte verstթԹ)ndlicherweise zur VerstթԹ)rkung des deutschen Einflusses nach der jungtթԹԶrkischen Revolution in Istanbul. Colmar von der Goltz stellte seinen Assistenten Mahmut թ ժԷevket – spթԹ)ter starker Mann unter den JungtթԹԶrken vor allem nach dem Staatsstreich im Januar 1913 – dem Sultan AbdթԹԶlhamid II. vor. Infolgedessen wurde Mahmut թ ժԷevket im Jahre 1886 als Mitglied der Gewehrabnahmekommission nach Oberndorf am Neckar geschickt, wo sich die Mauser-Werke befanden.
DarթԹԶber hinaus spielten Mahmut թ ժԷevket und sein Lehrer eine entscheidende Rolle bei der Annahme des Mausergewehres als tթԹԶrkisches Infanteriegewehr. Nachdem Mahmut թ ժԷevket im Jahre 1895 nach Istanbul zurթԹԶckgekehrt war, hatte er zunթԹ)chst in den technischen Kommissionen des tթԹԶrkischen Waffenamtes gearbeitet. Als Mahmut թ ժԷevketթԹ 1913 an die Macht geputscht wurde, bevorzugte er verstթԹ)ndlicherweise Deutschland vor den anderen europթԹ)ischen MթԹ)chten wie England und Frankreich.
In seinen Erinnerungen gab Colmar von der Goltz zu, selbst bei der Annahme der deutschen Waffen in der tթԹԶrkischen Armee eine groթժԴe Rolle gespielt zu haben. TatsթԹ)chlich թԹԶberzeugte Colmar von der Goltz AbdթԹԶlhamid II. 1885 davon, dass er 500 schwere Kanonen fթԹԶr die Verteidigung der Dardanellen bei der Firma Krupp bestellte. Kurzum: Die deutschen Waffenfabrikanten Mauser und Krupp erlangten gegenթԹԶber ihren Hauptkonkurrenten Vickers & Armstrong und Schneider-Cruzot eine Monopolstellung in der թՉra Colmar von der Goltz (1883-1895). թԹ Die Waffenbestellung, die in Deutschland in Auftrag gegeben wurde, belief sich auf 100.000.000 Franken. Die tթԹԶrkischen Offiziere, die nach Deutschland geschickt worden waren, waren թԹԶberwiegend Artillerieoffiziere gewesen, was im Hinblick auf die WaffenkթԹ)ufe aus Deutschland von enormer Bedeutung war.
Die SchթԹԶler des Colmar von der Goltz kommen an die Macht
Als Mahmut թ ժԷevket Pascha nach dem Staatsstreich vom 23. Januar 1913 an die Macht kam, drahtete er mit seinem Lehrer Colmar von der Goltz. Mahmut թ ժԷevket konsultierte zu den wichtigsten Fragen den deutschen Botschafter Wangenheim, bevor er seine Entscheidungen traf. AlsթԹ der russophile Mahmut Muhtar Pascha versuchte die jungen tթԹԶrkischen Offiziere zu beeinflussen, sagte Mahmut թ ժԷevket Wangenheim, er solle ihn als Botschafter lieber nach Berlin anstatt nach St.-Petersburg entsenden. Denn Mahmut Muhtar wollte selbst nach St.-Peterburg gehen.
Am Anfang der jungtթԹԶrkischen Revolution gab es noch eine deutschlandfeindliche AtmosphթԹ)re im Komitee der jungtթԹԶrkischen Partei, wovon auch die Firma Krupp im starken MaթժԴe betroffen war. Als die Staatsmacht aber in die HթԹ)nde der SchթԹԶler des Colmar von der Goltz թԹԶberging, bestellte man Waffen direkt bei den deutschen Firmen, ohne andere auslթԹ)ndischen Firmen in die Konkurrenz einzubeziehen.
Die deutsche Position stabilisiert sich in Istanbul
Deutschland bemթԹԶhte sich nach der Revolution von 1908 weiterhin darum, die jungen und talentierten tթԹԶrkischen Offiziere zu beeinflussen. Wangenheim z. B. redete mit dem Kriegsminister Ahmet թԹ՛zzet Pascha թԹԶber die Entsendung Enver Beys թ§Չ-Չ Generalissimus im Ersten Weltkrieg-թԹ als MilitթԹ)rattachթԹ. nach Berlin. Als Enver Bey spթԹ)ter թԹԶberlegte, fթԹԶr eine Blinddarmoperation nach Deutschland zu gehen, teilte Wangenheim Berlin mit, dass man diese Gelegenheit dazu nutzen solle, Enver Bey zu beeinflussen. Damit wollte man die Voreingenommenheit der JungtթԹԶrken Deutschland gegenթԹԶber beseitigen.
Als Kamil Pascha versuchte, dem deutschen Einfluss in der tթԹԶrkischen Armee ein Ende zu setzen, verlangte das Komitee fթԹԶr Einheit und Fortschritt von der Regierung, dass Mahmut թ ժԷevket Pascha und Talat Pascha an einer umgebildeten Regierung teilnehmen sollten. Als es zur Gegenrevolution vom 31. MթԹ)rz 1909 kam, hat sich die deutsche Machtposition in der tթԹԶrkischen Hauptstadt sogar noch verstթԹ)rkt. Denn nach dieser Revolution rթԹԶckten die germanophilen Personen wie Mahmut թ ժԷevket und Enver Bey in die Mitte der tթԹԶrkischen Politik vor. Das interpretierte man in der europթԹ)ischen թՉffentlichkeit als Erfolg Deutschlands. Dennoch konnte man aber in dieser թՉra nicht von einer absoluten deutschen Einflussnahme in Istanbul sprechen.
WթԹ)hrend die prominenten Mitglieder des Kommitees fթԹԶr Einheit und Fortschritt wie Cavit Bey und HթԹԶseyin Cahit anglophile Ansichten vertraten, wurde Cemal Pascha als թԹԶberzeugter AnhթԹ)nger Frankreichs betrachtet. Nach dem Ersten Balkankrieg wollte die Regierung von Kamil Pascha die JungtթԹԶrken aus der Politik des Landes ausschalten. AuթժԴerdem nahm diese Regierung den Verlust von Edirne hin und akzeptierte die Demarkationslinie Midye-Enos als Grenze zwischen der TթԹԶrkei und Bulgarien. Unter diesen UmstթԹ)nden putschten sich die nationalistischen KrթԹ)fte unter FթԹԶhrung von Enver Bey und Talat Pascha an die Macht, wie bereits oben geschildert. Nachdem man Kamil Pascha zum RթԹԶcktritt zwang, eroberte man Edirne zurթԹԶck. Nach der Ermordung von Mahmut թ ժԷevket Pascha intensivierten sich die Beziehungen zwischen Deutschland und den JungtթԹԶrken.
Am Vorabend des Ersten Weltkrieges
Als eine umfangreiche deutsche MilitթԹ)rmission unter Leitung von Liman von Sanders 1914 in Istanbul eintraf, protestierten die europթԹ)ischen MթԹ)chte insbesondere Russland sehr heftig. Denn diese Staaten waren hթԹԳchst beunruhigt թԹԶber die VerstթԹ)rkung der tթԹԶrkischen Armee durch die deutschen Offiziere. Die Idee, eine umfangreiche deutsche Mission in die TթԹԶrkei kommen zu lassen, war an sich keine neue Idee. Man թԹԶberlegte schon in der Amtszeit von Mahmut թ ժԷevket Pascha eine solche deutsche Mission in die TթԹԶrkei kommen zu lassen. Denn fթԹԶr die TթԹԶrkei war es unmթԹԳglich, die deutschen Methoden und Waffentechniken in ihrer Armee loszuwerden.թԹ
Als der Erste Weltkrieg ausbrach, war der Einfluss der deutschen Offiziere in der tթԹԶrkischen Armee sehr groթժԴ. AuթժԴerdem genoss die deutsche RթԹԶstungsindustrie ein absolutes Liefermonopol in die TթԹԶrkei. Sie profitierte vom deutschen System in der tթԹԶrkischen Armee. Die EinfթԹԶhrung dieses Systems war den in den tթԹԶrkischen Diensten stehenden deutschen Offizieren in der TթԹԶrkei zu verdanken. Auf der anderen Seite gewann die deutsche Regierung die tթԹԶrkische Armee als Partner, die von den deutschen Offizieren ausgebildet und mit deutschen Waffen ausgestattet war. թ§Չ-Չ Am Ende waren jedoch beide die Verlierer.
*
Der Autor Dr. rer. pol. Fahri TթԹԶrk ist als Dozent im Fachbereich թ§Չ-ժԷPolitikwissenschaftenթ§Չ-ժ an der UniversitթԹ)t Trakya in Edirne/TթԹԶrkei tթԹ)tig.
fhoto bry galatv.am
Be the first to comment