Hamburg – Es ist ein GefթԹԶhl, das Kinder in aller Welt kennen: In der Schule gab es Zeugnisse, das eigene ist schlecht ausgefallen. Doch viel schlimmer als die gedruckte Lehrerschelte ist die bange Frage, welche Reaktion zu Hause folgt: VerstթԹ)ndnis, ein kurzes Donnerwetter – oder doch PrթԹԶgel?
Am Montag ist Zeugnistag fթԹԶr die USA. Zwar hat die Rating-Agentur Standard & Poor’s (S&P) bereits am Freitag die BonitթԹ)t des Landes um eine Stufe gesenkt . Doch da waren die BթԹԳrsen bereits geschlossen, die Anleger konnten nicht mehr auf die bislang beispiellose Herabstufungreagieren. Das werden sie nun zu Wochenbeginn nachholen. Und թԹ)hnlich wie bei vielen SchթԹԶlern ist auch bei den USA noch weitgehend unklar, wie heftig die Reaktion auf die verschlechterte Note sein wird.
Die NervositթԹ)t jedenfalls ist groթժԴ, schlieթժԴlich befanden sich die BթԹԳrsen bereits in der vergangenen Woche auf rasanter Talfahrt: Der Deutsche Aktienindex (Dax ) rutschte um 13 Prozent ab, der Dow Jones verlor knapp sechs Prozent – sein grթԹԳթժԴter Wochenverlust seit Beginn der Finanzkrise. Nun wird ein weiterer Kurssturz befթԹԶrchtet. SchlieթժԴlich թԹԳffnen die “globalen FinanzmթԹ)rkte am Montag in einer verթԹ)nderten Wirklichkeit”, wie Mohamed El-Erian, Chef des weltweit grթԹԳթժԴten Anleiheinvestors Pimco in der “Financial Times” schreibt.
Auch in Europa fթԹԶrchtet man den Absturz: Bundeskanzlerin Angela Merkel und der franzթԹԳsische StaatsprթԹ)sident Nicolas Sarkozy mթԹԶhen sich, die MթԹ)rkte vorab zu beruhigen. Sie bekrթԹ)ftigten am Sonntagabend in einer gemeinsamen ErklթԹ)rung die BeschlթԹԶsse des Euro-Gipfels vom Juli und betonten die Bedeutung einer schnellen Zustimmung der Parlamente ihrer beiden LթԹ)nder bis Ende September. Zugleich ermahnten sie Italien und Spanien, ihren angekթԹԶndigten Sparkurs schnell und komplett umzusetzen.
Dabei verpackten Merkel und Sarkozy ihre Forderung in Lob: Sie begrթԹԶթժԴten die jթԹԶngst von den beiden groթժԴen Wackelkandidaten der Euro-Zone angekթԹԶndigten MaթժԴnahmen zur schnelleren Haushaltskonsolidierung und zur ErhթԹԳhung der WettbewerbsfթԹ)higkeit. FթԹԶr die Wiederherstellung des Vertrauens der MթԹ)rkte sei aber eine “vollstթԹ)ndige und zթԹԶgige Umsetzung der angekթԹԶndigten MaթժԴnahmen” maթժԴgeblich.
Reicht das, um einen schwarzen Montag zu verhindern? Die ersten Anzeichen sind wenig ermutigend. Als erster groթժԴer Handelsplatz konnte am Samstag die BթԹԳrse in Saudi-Arabien auf die Herabstufung reagieren, dort verlor der Leitindex Tasi gut fթԹԶnf Prozent. Auch in Dubai gaben die Kurse am Sonntag um mehr als fթԹԶnf Prozent nach. Die israelische BթԹԳrse verschob ihren Handelsstart am Sonntag um eine Dreiviertelstunde, nachdem der Index TA-25 im vorbթԹԳrslichen Handel mehr als sechs Prozent verloren hatte.
Wirklich spannend wird es, wenn am Montag die MթԹ)rkte in Asien, Europa und schlieթժԴlich den USA erթԹԳffnen. Dann wird sich zeigen, ob die USA eine թԹ)hnliche Erfahrung machen wie zuletzt viele sթԹԶdeuropթԹ)ische LթԹ)nder: Nachdem die Rating-Agenturen wiederholt ihre BonitթԹ)t gesenkt hatten, stiegen die Zinsen, die LթԹ)nder wie Griechenland oder Portugal fթԹԶr die Aufnahme neuer Schulden zahlen mussten immer weiter – bis die LթԹ)nder sich unter Euro-Rettungsschirme flթԹԶchten mussten.
Haben die Anleger die Herabstufung geahnt?
WթԹ)hrend manche europթԹ)ischen Ratings jedoch lթԹ)ngst Ramschniveau erreicht haben, rutschten die USA nur um eine Stufe von der Bestnote ab – und das bislang nur bei einer der drei groթժԴen Rating-Agenturen. Deshalb besteht die Hoffnung, dass die Auswirkungen der Entscheidung begrenzt bleiben – die USA also mit einem ordentlichen Donnerwetter davonkommen.
Einen weltweiten Crash werde es nicht geben, prophezeit Deutsche-Bank-Chefsvolkswirt Thomas Mayer in der “Bild am Sonntag”. “Die Kurse werden sich auch wieder erholen.” Der Allianz-Analyst Hans-JթԹԳrg Naumer zeigt sich ebenfalls zuversichtlich: “Es scheint eine Art Sommergewitter zu sein und wir kթԹԳnnen immer noch auf stabileres BթԹԳrsenwetter im SpթԹ)tsommer hoffen.”
Ein Grund fթԹԶr den vorsichtigen Optimismus: MթԹԳglicherweise haben Anleger die Herabstufung bereits geahnt. SchlieթժԴlich hatte S&P diese bereits Mitte Juli angedroht, am Freitag waren noch vor BթԹԳrsenschluss in den USA GerթԹԶchte թԹԶber eine bevorstehende Herabstufung aufgekommen . Die Kursverluste der vergangenen Woche zeigten, dass der Markt schlechte Nachrichten antizipiert habe, sagt Hanno Beck, Wirtschaftsprofessor an der Hochschule Pforzheim. Kurzfristig kթԹԳnne es zu weiteren Turbulenzen kommen. “Die meisten Marktteilnehmer sollte die Herabstufung aber nicht unvorbereitet treffen.”
Doch es gibt auch pessimistischere Stimmen. “Das wird die Verunsicherung an den MթԹ)rkten noch weitertreiben”, prophezeit der Direktor des Instituts fթԹԶr MakroթԹԳkonomie und Konjunkturforschung, Gustav Horn. Er verweist auf institutionelle Anleger wie etwa Lebensversicherungen. Solche Investoren haben sich hթԹ)ufig dazu verpflichtet, nur Staatsanleihen mit hթԹԳchster BonitթԹ)tsnote in ihren Portfolios zu halten. Durch eine Herabstufung kթԹԳnnten sie zum Verkauf ihrer Anleihen gezwungen werden – zumindest, falls auch die anderen Rating-Riesen ihre Note absenken.
China erhebt seine Stimme
Sehr aufmerksam werden Anleger alle Wortmeldungen aus China verfolgen. Mit Anleihen im Gesamtwert von 1,16 Billionen Dollar ist das Land der grթԹԳթժԴte GlթԹ)ubiger der USA. WթԹԶrde die chinesische Regierung diese Anleihen auf den Markt schmeiթժԴen, kթԹԳnnte sie die USA in kurzer Zeit in den Bankrott treiben.
Zwar hat China wenig Interesse daran, auf diese Weise seine eigenen Wertanlagen zu vernichten – zumal der amerikanische Anleihemarkt wegen seiner GrթԹԳթժԴe bislang weitgehend konkurrenzlos ist. Doch eine scharfe Kritik der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua zeigte am Wochenende, dass die chinesische Regierung mit wachsendem Selbstbewusstsein ein Umsteuern der US-Politik einfordert.
Barack Obama hat zwar bereits Besserung gelobt , doch mehr als Versprechen des PrթԹ)sidenten dթԹԶrften die MթԹ)rkte Daten zur stockenden US-Konjunktur interessieren: Am kommenden Freitag werden neue Zahlen zum amerikanischen Einzelhandel verթԹԳffentlicht. Fallen diese gut aus, so kթԹԳnnten sie թՉngste vor einem Einbruch des US-Konsums dթԹ)mpfen. “Der US-Einzelhandel kթԹԳnnte zum strahlenden Leuchtturm werden”, hofft Tobias Basse, Analyst der NordLB.
Zudem gibt es Spekulationen, dass die US-Notenbank Fed eine neue Runde der sogenannten “Quantitativen Lockerung” einlթԹ)utet. Mit diesem milliardenschweren Aufkaufprogramm fթԹԶr Anleihen versucht die Bank zusթԹ)tzliches Geld in den Markt zu pumpen, nachdem der Leitzins bereits fast auf null Prozent gesenkt wurde.
Die Frage nach ausreichender LiquiditթԹ)t dթԹԶrfte am Montag auch mit Blick auf die Banken gestellt werden. Die Finanzkrise war dadurch verschթԹ)rft worden, dass Institute ihr Geld horteten. Das zeigte sich am Libor – jenem Zinssatz, zu dem sich Finanzinstitute gegenseitig Geld leihen. Am Montag mթԹԶssten Investoren nun den Libor wieder genau beobachten, sagt Geoffrey Yu von der Schweizer GroթժԴbank UBS . Sollten Anleihen in grթԹԳթժԴerem Stil auf den Markt geworfen werden, so kթԹԳnnte das “den bereits eskalierenden Stress fթԹԶr das Bankensystem weiter verschթԹ)rfen”.
Bange Blicke werden zudem auf den ZinsaufschlթԹ)gen fթԹԶr Italien und Spanien ruhen. Diese hatten in der vergangenen Woche RekordstթԹ)nde erreicht und damit BefթԹԶrchtungen verstթԹ)rkt, die LթԹ)nder mթԹԶssten bald ebenfalls vom Rest der Euro-Zone gestթԹԶtzt werden. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wollen die PrթԹ)sidenten der europթԹ)ischen Notenbanken bei einer Telefonkonferenz am SonntagdarթԹԶber beraten, wie sie weitere Spekulationen gegen Italien und Spanien verhindern kթԹԳnnen.
Ein zweiter Sputnik-Schock
In den USA suchte man kurz vor dem Tag der Wahrheit noch nach Hoffnungszeichen. So schrieb Pimco-Chef El-Erian, die Herabstufung drohe zwar, langsam die FթԹԶhrungsrolle der USA im globalen Finanzsystem zu erodieren. Es sei aber mթԹԳglich, dass die Amerikaner jetzt einen zweiten “Sputnik-Schock” erlebten. So wie der erste sowjetische Satellit im All die USA einst anspornten, das Rennen zum Mond zu gewinnen, so soll die Ohrfeige von S&P sie nun also dazu bringen, ihre wirtschaftliche Vormachtstellung zu verteidigen.
Doch erst einmal mթԹԶssen die USA den Montag թԹԶberstehen. Selbst langjթԹ)hrige Banker wie John Kanas sind sich nicht sicher, was das Land dann erwartet. Der Vorstandschef des Instituts BankUnited in Florida erzթԹ)hlte dem “Wall Street Journal”, die Nachricht von der Herabstufung habe ihn auf einer Dinner-Party mit Freunden erreicht. “Es gab einen Moment groթժԴer Stille und dann haben sich Leute an mich gewandt und gefragt, was das bedeutet. Ich habe ihnen gesagt, dass es keiner von uns wirklich weiթժԴ. Das war ein ernթԹԶchternder Moment.”
Mit Material von dapd, AFP und Reuters
spiegel.de
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