Sehr geehrter Herr PrթԹ)sident,
es schreibt Ihnen Adelina Awagimyan, eine SchթԹԶlerin aus Berg-Karabach.
Meine Absicht, Ihnen einen Brief zu schreiben, habe ich keinem verraten. Ich habe lange darթԹԶber nachgedacht, ob ich schreiben soll oder nicht? Ich habe mich dazu entschschlossen, zu schreiben.
Ich wurde geboren und lebe in der Stadt Stepanakert. Mein Land liebe ich sehr, denn Karabach ist meine Heimat, hier bin ich geboren worden und hier lebe ich. Hier sind meine Mutter und mein Vater geboren worden, auch meine GroթժԴmթԹԶtter und meine GroթժԴvթԹ)ter. Deren GroթժԴvթԹ)ter und GroթժԴmթԹԶtter sind ebenfalls hier geboren worden (vermutlich wissen Sie, dass in frթԹԶheren Zeiten, als unser Land einer der Provinzen Armeniens war, den Namen Arzach trug). Ich habe viele Freunde und sie lieben ihre Heimat genauso wie ich… Ihnen, Herr PrթԹ)sident, mթԹԳchte ich aber doch թԹԶber etwas anderes schreiben.
Ich habe – wie viele andere auch – eigene Fragen und Probleme, und ich bemթԹԶhe mich, soweit das mթԹԳglich ist, sie zu lթԹԳsen. In meiner Freizeit aber denke ich թԹԶber viele andere Dinge nach: թժber das menschliche Leben, թԹԶber das GlթԹԶck, թԹԶber meine Altersgenossen, die sehr weit weg von meiner Heimat leben, թԹԶber ihr Land, das sich von unserem unterscheidet. Nachts schaue ich oft in den Himmel und dabei kommt mir der Gedanke, ob weit weg von uns Planeten existieren, auf denen Menschen leben? … Mein Opa sagt, dass auch er in seiner Kindheit nachts den Sternenhimmel beobachtete und թԹԶber dasselbe nachgedachte… Ich denke auch թԹԶber meine Zeitgenossen nach, insbesondere auch թԹԶber diejenigen, die in ihrem Leben mehr Leid als Freude erfahren haben. Ich wթԹԶnsche mir sehr, dass es allen gut gehen mթԹԳge, dass sie keine schweren Zeiten durchmachen und dass alle glթԹԶcklich sind.
Herr PrթԹ)sident, jedes Mal, wenn ich den Fernseher einschalte, wenn ich mir Zeitungen anschaue oder mir die ErzթԹ)hlungen der Erwachsenen anhթԹԳre, wundere ich mich. Denn ich erfahre immer wieder, dass Sie viel թԹԶber Karabach reden und թԹԶber einen Krieg. Und ich habe den Eindruck, dass Sie keine anderen Gedanken haben und թԹԶber nichts Anderes nachdenken kթԹԳnnen. Es scheint mir so, als ob Sie keine andere Probleme haben und keinen anderen Herausforderungen entgegensթԹ)hen. Dass es nichts gթԹ)be in der Welt, dass Sie bewegt.
In meinem jungen Leben habe ich nie einen Azerbaidschaner gesehen, ich denke wenig թԹԶber Sie und Ihr Land nach. Meine Eltern beschթԹ)ftigen sich auch nicht mit Ihnen und Ihrem Land. Ich begreife nicht, was Sie von unserem Land wollen? Ich habe gehթԹԳrt, dass Sie nie hier in Arzach, in Karabach waren. Sie haben nie unser Kloster Gandzasar gesehen, unser Dadiwank, Amaras, aber Sie denken stթԹ)ndig darթԹԶber nach, wie Sie unser Land erobern kթԹԳnnten. Ich verstehe das nicht: GenթԹԶgen Ihnen Ihre LթԹ)ndereien nicht? Wozu brauchen Sie Karabach? Von meinem Opa habe ich erzթԹ)hlt bekommen, dass vor dem Krieg, sogar 50 oder 100 Jahre zuvor, als es hier noch Azerbaidschaner gab, dass sie ihre Toten nicht hier bei uns begraben wollten. Sie wurden nach ihrem Tod aus Karabach weggebracht und in ihrer echten Heimat bestattet. Denn sie wussten, dass dies nicht ihre Heimat ist, nicht ihr Land. Deswegen gibt es hier kaum azerbaidschanische FriedhթԹԳfe…
Mein Vater ist Kriegsveteran. Er hat an dem azerbaidschanisch-karabachischen Krieg teilgenommen. Ich selbst habe den Krieg nicht miterlebt. Doch aus den ErթԹ)hlungen der Erwachsenen weiթժԴ ich, dass Krieg schlecht und furchtbar ist. Und ich wթԹԶnsche mir nicht, einen Krieg mitzuerleben. Und ich bin թԹԶberzeugt, dass auch kein azerbaidschanisches Kind sich einen Krieg wթԹԶnscht. Doch hթԹԳre ich von den Erwachsenen stթԹ)ndig, dass wenn es wieder einen Krieg geben wթԹԶrde, wթԹԶrden sie wie zuvթԹԷr ihr eigenes Land verteidigen. Einer meiner Freunde sagt mir, dass wenn man ihm nicht erlauben wթԹԶrde, eine Waffe zu tragen, wթԹԶrde er – թԹ)hnlich wie der franzթԹԳsische Gavroche – den Erwachsenen bei der Verteidigung unserer Heimat helfen. Ich selbst werde ebenfalls meinen Eltern helfen, soviel wie meine KrթԹ)fte ausreichen werden…
Von den Erwachsenen, von verschiedenen Leuten habe ich gehթԹԳrt, wie damals alles geschehen ist. Die BewթԹԳlkerung Arzachs ist friedlich auf die Strasse gegangen und hat demonstriert. Sie sagten, dass es ihr Wille sei, dass unser Arzach sich mit dem armenischen Mutterland vereinige. Denn Azerbaidschan war uns ein fremdes Land und 70 Jahre zuvor hat unser Herrscher namens Stalin unser Land mit Absicht Azerbaidschan zugeschlagen. Als Antwort darauf begannen Ihre Landsleute in Sumgait, in Kirovabad, in Baku und anderen StթԹ)dten die Armenier zu tթԹԳten und aus ihren HթԹ)usern und Wohnungen zu vertreiben. Und das genթԹԶgte ihnen nicht. Ihr Vater, Herr PrթԹ)sident, fթԹԶhrte einen Krieg gegen meine Heimat Arzach. Und obwohl er sehr stark war, viele Soldaten und Panzer hatte, verlor er diesen Krieg.
Ich habe die Erwachsenen gefragt, wie es denn mթԹԳglich ist, dass so ein Starker verliert, und sie haben mir geantwortet, dass wir unser Land verteidigten, unsere Heimat, die Azerbaidschaner aber griffen an, um unser Land zu erobern, um uns unser Leben und unsere Freiheit zu nehmen…
Wenn Sie erneut einen Krieg anfangen, um unser Land zu erobern, wird das gesamte armenische Volk aufstehen und ihre Heimat verteidigen. Doch bin ich թԹԶberzeugt, dass, wenn Sie einen Krieg anfangen, Ihre Kinder, Ihre Verwandten und Freunde sich an diesem Krieg nicht beteiligen werden. In diesen Krieg werden Sie die einfache azerbaidschanische Jugend hineinschicken. Ich weiթժԴ auch, dass wenn es einen Krieg geben wird, viele von uns, auch Frauen und Kinder, sterben werden, viele Kinder werden zu Waisen. Aber in diesem Krieg werden auch viele tausende azerbaischanische Jugendliche sterben und viele azerbaidschanische Kinder werden ebenfalls zu Waisen werden. Wollen Sie das? Denken Sie deswegen jeden Morgen թԹԶber den Krieg und die Eroberung Karabachs nach?
Warum kaufen Sie die ganze Zeit Waffen? Mit diesen Geldern kթԹԳnnten Sie doch ein solches Leben in Ihrem Land aufbauen, dass Ihr Volk (besonders die, die wegen des vorherigen Krieges, dass Ihr Vater angezettelt hat, zu FlթԹԶchtlingen wurden) glթԹԶcklich lebe und keine Sorgen und Probleme habe. Ist das nicht besser, als Menschen an die Front zu schicken?
Ich wթԹԶnsche mir sehr, dass Sie auf meinen Brief antworten und mir ehrlich sagen, warum Sie meine Heimat, die Ihnen nicht gehթԹԳrt, erobern wollen. Haben Sie nicht genug eigenes Land?
Adelina Awagimyan
13 Jahre alt
Republik Berg-Karabach
Stepanakert
10.08.2011
armenieninfo.net
photo by armenianow.com
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