Seit der Untat von 1915, derer wir heute gedenken, hat sich immer wieder aufs Neue gezeigt, dass VթԹԳlkermorde planmթԹ)թժԴig und kaltblթԹԶtig in Szene gesetzt sind, dass sie Ergebnis systematischer Planung sind, und auch die Handlungsmuster sind gelթԹ)ufig. Schuldzuweisung an eine ethnische, religiթԹԳse, kulturelle Minderheit, ihre Verfolgung unter dem Vorwand, die Mehrheit sei provoziert worden, macht in der Regel den Anfang. Es folgt die թ§Չ-ժԷpolitische LթԹԳsungթ§Չ-Թ, die als թ§Չ-ժԷethnische SթԹ)uberungթ§Չ-Թ, als Umsiedlung, als friedensstiftende MaթժԴnahme verkթԹԶndet und in den Formen von Vertreibung, Raub und Mord praktiziert wird. Die AblթԹ)ufe und ZusammenhթԹ)nge darzustellen ist spթԹ)ter die Obliegenheit der Historiker. Aber das akademische Interesse kann nicht Selbstzweck sein. Das Ergebnis historischer Forschung geht alle an, nicht zuletzt die Politiker, die Verantwortung fթԹԶr den թԹ)uթժԴeren und inneren Frieden der Nationen tragen. թՉffentliche Erinnerung ist Teil der politischen Kultur zivilisierter Gesellschaften. Dazu gehթԹԳrt aber auch das Erinnern an unselige Ereignisse, dazu gehթԹԳrt das EingestթԹ)ndnis historischer Schuld.
Die Nachfolger des lթԹ)ngst vergangenen Osmanischen Reiches verweigern dieses EingestթԹ)ndnis bis zum heutigen Tag. In unverstթԹ)ndlicher Aufwallung nationaler Leidenschaft reagierte die tթԹԶrkische Regierung, aber auch die mediale թՉffentlichkeit, darauf, dass das franzթԹԳsische Parlament in einem spթԹ)ten legislativen Akt die Anerkennung des VթԹԳlkermords an den Armeniern beschlossen hat. Das war die Feststellung einer historischen Tatsache, nicht mehr. Darauf grթԹԶnden sich keine rechtlichen Forderungen, es ergeben sich auch keine drohenden Nachteile fթԹԶr die TթԹԶrkei. Es war ein symbolischer Akt der Gerechtigkeit und der Anerkennung gegenթԹԶber den Armeniern franzթԹԳsischer NationalitթԹ)t. Und es war ein Zeichen von Verantwortungsbewusstsein der Parlamentarier gegenթԹԶber geschichtlicher Erkenntnis.
Aber die TթԹԶrkei hat reagiert, als sei ihr der Krieg erklթԹ)rt worden. Politik und Medien gebթԹ)rdeten sich, um Geschichte zu leugnen, als seien sie existentiell bedroht. Das tթԹԶrkische AufbթԹ)umen gegen die historische RealitթԹ)t erinnert an die Emotionen in Deutschland, mit denen nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg RealitթԹ)t verweigert und nationalistischer Wahn glorifiziert wurde. Das waren թԹԶbrigens auch Hinweise auf mangelndes Selbstbewusstsein.
Zur Selbstgerechtigkeit gibt es in Deutschland und թՉsterreich keinen Grund. Dem verbթԹԶndeten Osmanischen Reich ist die kaiserliche deutsche Regierung seinerzeit trotz vorhandenen Unbehagens genau so wenig wie die Regierung թՉsterreich-Ungarns nicht in den Arm gefallen, das Wissen թԹԶber den VթԹԳlkermord wurde militթԹ)rischen und bթԹԶndnisstrategischen ErwթԹ)gungen nachgeordnet. SpթԹ)ter, in den 20er Jahren, konnte aber keiner behaupten, er habe nichts gewusst. Es gab Publizisten und Literaten, die թԹԳffentlich in Wort und Schrift den VթԹԳlkermord zum Thema machten. Armin T. Wegner, der expressionistische Schriftsteller, der als deutscher SanitթԹ)tssoldat Augenzeuge der Massaker geworden war, bemթԹԶhte sich um AufklթԹ)rung. Ein Vortrag, den er im MթԹ)rz 1919 in Berlin hielt, endete in Tumult und hatte deshalb reichlich PublizitթԹ)t.
Eine Sensation war dann nicht nur das Attentat des jungen Armeniers Soromon Tehlerjan (Salomon Teilirian) auf einen der Hauptschuldigen des VթԹԳlkermords, auf den ehemaligen Innenminister des osmanischen Reiches, Talaat Pascha, im MթԹ)rz 1921 in Berlin auf der HardenbergstraթժԴe. Die zweite Sensation war der Freispruch des gestթԹ)ndigen AttentթԹ)ters nach zweitթԹ)giger Verhandlung im Juni 1921 vor dem Schwurgericht des Landgerichts III zu Berlin. Es war eine Sternstunde der Justiz, mթԹԳglicherweise eine Sternstunde irdischer Gerechtigkeit, dass der gestթԹ)ndige, durch den VթԹԳlkermord persթԹԳnlich traumatisierte Soromon Tehlerjan freigesprochen wurde. Die sorgfթԹ)ltige Beweisaufnahme des Gerichts hat auթժԴerdem jeden Zweifel an der RealitթԹ)t des Genozids, an seiner Planung und DurchfթԹԶhrung ausgerթԹ)umt.
Zur PhթԹ)nomenologie des VթԹԳlkermords gehթԹԳrt seine թՉffentlichkeit und die gleichzeitige Teilnahmslosigkeit der Nicht-Betroffenen. Der Genozid an den Armeniern geschah, wie nur zweieinhalb Jahrzehnte danach der Holocaust, unter den Augen der Welt. Der amerikanische Konsul im ostanatolischen Harpet berichtete nach Washington, was er bei Inspektionsreisen in seinem Amtsbezirk im Herbst 1915 beobachtet hatte: թ§Չ-ժԷWir schթԹ)tzen, dass wir wթԹ)hrend unserer Rundreise um den GթԹԳljuk-See binnen 24 Stunden die sterblichen թժberreste von mehr als 10.000 ermordeten Armeniern gesehen haben. Dabei handelt es sich natթԹԶrlich um SchթԹ)tzungen, denn von manchen waren nur noch Skelette թԹԶbrig, in anderen FթԹ)llen fanden wir aufgeblթԹ)hte, stinkende KթԹԳrper von Menschen, die wohl erst vor einigen Tagen getթԹԳtet worden warenթ§Չ-Թ» Immer entdeckte ich bei meinen Reisen im Gebiet des GթԹԳljuk-Sees Skelette oder Knochen – erst kթԹԶrzlich wieder, einige Wochen vor meiner Abreise aus Harpet.թ§Չ-Թ
Im Vergleich mit dem VթԹԳlkermord, den das nationalsozialistische Deutschland gegen die Juden plante und durchfթԹԶhrte, machte sich die Regierung des osmanischen Reiches im Herbst 1915 wenig MթԹԶhe, ihre Absichten zu verschleiern. Dokumente, die das beweisen, gibt es genug. In Erlassen an nachgeordnete BehթԹԳrden fթԹԶhrte der Innenminister eine offene Sprache. Am 15. September 1915 verfթԹԶgte er: թ§Չ-ժԷEs ist bereits mitgeteilt worden, dass die Regierung beschlossen hat, alle Armenier, die in der TթԹԶrkei wohnen, gթԹ)nzlich auszurotten. Diejenigen, die sich diesem Befehl und diesem Beschluss widersetzen, verlieren ihre StaatsangehթԹԳrigkeit. Ohne RթԹԶcksicht auf Frauen, Kinder und Kranke, so tragisch die Mittel der Ausrottung auch sein mթԹԳgen, ist, ohne auf die GefթԹԶhle des Gewissens zu hթԹԳren, ihrem Dasein ein Ende zu machen.թ§Չ-Թ
Am 23. November 1915 ergeht die ultimative Weisung an die PrթԹ)fektur von Aleppo: թ§Չ-ժԷRotten Sie mit geheimen Mitteln jeden Armenier der թԹԳstlichen Provinzen aus, den Sie in Ihrem Gebiete finden sollten.թ§Չ-Թ, und am 1. Dezember erreicht den PrթԹ)fekten in Aleppo wieder eine chiffrierte Depesche des Innenministers, in der mangelnder Verfolgungseifer bei der թ§Չ-ժԷAusrottung der fraglichen Personenթ§Չ-Թ gerթԹԶgt und noch einmal klargestellt wurde, worum es ging: թ§Չ-ժԷDer Ort der Verbannung derartiger Unruhestifter ist das Nichtsթ§Չ-Թ. An Deutlichkeit lieթժԴ auch die Mitteilung vom 15. Januar 1916 nichts zu wթԹԶnschen թԹԶbrig: թ§Չ-ժԷWir erfahren, dass man in die an gewissen Orten erթԹԳffneten WaisenhթԹ)user auch die Kinder der bekannten Personen aufnimmt. Da die Regierung deren Dasein fթԹԶr schթԹ)dlich hթԹ)lt, so heiթժԴt es den WթԹԶnschen der Regierung zuwiderhandeln, wenn man diese Kinder ernթԹ)hrt und ihr Leben verlթԹ)ngert, als ob man Mitleid mit ihnen haben dթԹԶrfte; sei es, dass man den wahrhaften Zweck nicht begreift, sei es, dass man ihn nicht beachtetթ§Չ-Թ. Und ein letztes Beispiel an regierungsamtlichem Klartext, das in der Argumentation an BegrթԹԶndungen denken lթԹ)sst, wie sie die nationalsozialistische Ideologie eines rassistischen թ§Չ-ժԷRechts des StթԹ)rkerenթ§Չ-Թ Jahrzehnte spթԹ)ter verwendete: թ§Չ-ժԷZu einer Zeit, wo Tausende von muselmanischen Auswanderern und Kriegerwitwen des Schutzes und der Nahrung bedթԹԶrfen, ist es nicht angթԹ)ngig, Geld auszugeben, um die Kinder der bekannten Personen zu ernթԹ)hren, die in der Zukunft zu nichts anderem dienen werden, als gefթԹ)hrlich zu sein.թ§Չ-Թ
WթԹ)hrend des Ersten Weltkriegs, unter Zensur, wurde in Deutschland und թՉsterreich das Wissen amtlicher Stellen geheimgehalten und aus StaatsrթԹ)son der թՉffentlichkeit gegenթԹԶber unterdrթԹԶckt. Die Pressekonferenz der kaiserlichen deutschen Regierung am 7. Oktober 1915 hing den Journalisten einen Maulkorb um und sorgte fթԹԶr die Sprachregelung: թ§Չ-ժԷթժber die Armeniergreuel ist folgendes zu sagen: Unsere freundschaftlichen Beziehungen zur TթԹԶrkei dթԹԶrfen durch diese innertթԹԶrkische Verwaltungsangelegenheit nicht nur nicht gefթԹ)hrdet, sondern im gegenwթԹ)rtigen, schwierigen Augenblick nicht einmal geprթԹԶft werden. Deshalb ist es einstweilen Pflicht zu schweigen. SpթԹ)ter, wenn direkte Angriffe des Auslandes wegen deutscher Mitschuld erfolgen sollten, muթժԴ man die Sache mit grթԹԳթժԴter Vorsicht und ZurթԹԶckhaltung behandeln und spթԹ)ter vorgeben, dass die TթԹԶrken schwer von den Armeniern gereizt wurden.թ§Չ-Թ Zweieinhalb Monate spթԹ)ter, am 23. Dezember 1915, wurden die Journalisten angewiesen: թ§Չ-ժԷթժber die armenische Frage wird am besten geschwiegen. Besonders lթԹԳblich ist das Verhalten der tթԹԶrkischen Machthaber in dieser Frage nicht!թ§Չ-Թ
Den VerbթԹԶndeten der TթԹԶrkei war der Genozid also kein Geheimnis. Im Mai 1915 hatte der deutsche Botschafter in Istanbul offiziell erfahren, dass eine թ§Չ-ժԷUmsiedlungթ§Չ-Թ armenischer Familien nach Mesopotamien geplant war, im Juni berichtet er dem AuswթԹ)rtigen Amt nach Berlin, der tթԹԶrkische Innenminister habe sich թ§Չ-ժԷdahin ausgesprochen, dass die Pforte den Weltkrieg dazu benutzen wollte, um mit ihren inneren Feinden (den einheimischen Christen) grթԹԶndlich aufzurթԹ)umen, ohne dabei durch die diplomatische Intervention des Auslandes gestթԹԳrt zu werdenթ§Չ-Թ, und am 7. Juli 1915 berichtete die deutsche Vertretung թ§Չ-ժԷdie Art der Umsiedlung zeige, dass die Regierung tatsթԹ)chlich den Zweck verfolgt, die armenische Rasse im tթԹԶrkischen Reiche zu vernichtenթ§Չ-Թ.
An թԹԳffentlich zugթԹ)nglichen Quellen թԹԶber den VթԹԳlkermord, an amtlichen Akten herrscht ebenso wenig Mangel wie an Augenzeugenberichten, von թժberlebenden wie von auslթԹ)ndischen Beobachtern. Die Tatsache des VթԹԳlkermords am armenischen Volk steht auթժԴer jedem Zweifel. Sowohl die Evidenz des Geschehens im einzelnen wie dessen Dimension, eine und eine halbe Million Tote, unendliche Grausamkeit gegen die Opfer, Sadismus, Freude an der Qual und am Untergang der Todgeweihten – dies alles ist belegt und gesichert.
In der Gewissheit, dass es keine թժberlebenden geben werde, erzթԹ)hlten die Wach- und Begleitmannschaften ihren Opfern, was bereits geschehen war, welche Intentionen bestanden, welches Ziel der Genozid haben sollte. Auf die Frage eines armenischen Geistlichen, der geglaubt hatte, nur MթԹ)nner seien Objekte des Mordens, erklթԹ)rte ihm der tթԹԶrkische Gendarmeriehauptmann, wenn man nur die MթԹ)nner totschlage, dann gebe es nach 50 Jahren wieder ein paar Millionen Armenier: թ§Չ-ժԷWir mթԹԶssen also auch Frauen und Kinder totschlagen, damit fթԹԶr immer keine inneren und թԹ)uթժԴeren Unruhen mehr kommen.թ§Չ-Թ
Der VթԹԳlkermord an den Armeniern ist seit einiger Zeit ein Thema der politischen Agenda. Die EuropթԹ)ische Gemeinschaft will sich das Reifezeugnis der tթԹԶrkischen Nation vorlegen lassen, ehe sie in der Union begrթԹԶթժԴt werden kann. Das Reifezeugnis kann aber nicht nur in Deklamationen zu den Menschenrechten bestehen oder in der Einstellung des Prozesses gegen einen Schriftsteller, der zu prominent ist, um ihn verurteilen zu kթԹԳnnen, weil er թԹԶber den Genozid die Wahrheit gesagt hat, es muss auch die Anerkennung der historischen RealitթԹ)t, des VթԹԳlkermords an den Armeniern zum Gegenstand haben. Es hat mit RթԹԶcksicht auf die vielen TթԹԶrken in der Bundesrepublik lange gedauert, bis Deutschland dem Vorbild Belgiens, Griechenlands, Schwedens und Frankreichs folgte und den VթԹԳlkermord թԹԳffentlich anerkannte. Lange war das verweigert worden und die BegrթԹԶndung, mit der ein stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion im Februar 2001 das Thema abtat, war grotesk: Nicht die Abgeordneten seien gefragt, hatte er erklթԹ)rt, sondern die Historiker. Das ist ein merkwթԹԶrdiges VerstթԹ)ndnis der Dinge. Historiker haben sich lange und grթԹԶndlich mit dem VթԹԳlkermord an den Armeniern beschթԹ)ftigt, den Sachverhalt beschrieben und die Katastrophe beim Namen genannt: VթԹԳlkermord.
Der Deutsche Bundestag hat schlieթժԴlich am 21. April 2005 eine Dreiviertelstunde lang թԹԶber den Tagesordnungspunkt թ§Չ-ժԷGedenken anlթԹ)sslich des 90. Jahrestages des Auftakts zu Vertreibungen und Massakern an den Armeniern am 24. April 1915թ§Չ-Թա diskutiert. Deutschland mթԹԶsse zur VersթԹԳhnung zwischen TթԹԶrken und Armeniern beitragen, lautete die Absicht. Die Redner waren sachkundig, zeigten sich թԹԶber die historischen Ereignisse gut informiert. Die Abgeordneten waren auch sehr zufrieden mit ihrem Tun, spendeten sich fթԹԶr den Ernst und die WթԹԶrde und die EinmթԹԶtigkeit Beifall und verabschiedeten am 16. Juni 2005 einstimmig eine Resolution, die alles zunichte machte. Um den voraussehbaren Ausbruch tթԹԶrkischer Paranoia zu verhindern, war nicht vom Genozid die Rede – das ist die geplante, organisierte und ideologisch begrթԹԶndete Vernichtung einer ethnischen oder kulturellen Gruppe, eines Volkes – sondern von թ§Չ-ժԷVertreibungenթ§Չ-Թ und թ§Չ-ժԷMassakernթ§Չ-Թ. Nur einmal, in der BegrթԹԶndung, heiթժԴt es distanziert, zahlreiche unabhթԹ)ngige Historiker wթԹԶrden թ§Չ-ժԷdie Vertreibung und Vernichtung der Armenier als VթԹԳlkermordթ§Չ-Թ bezeichnen. Die TթԹԶrken, denen man eine Lektion in Erinnerungskultur erteilen wollte, ohne ihnen durch schmerzliche Wahrheit zu nahe zu treten, haben die Behutsamkeit und den leisen Tritt nicht gedankt. Regierungschef Erdogan թԹ)uթժԴerte sich beleidigend թԹԶber seinen Kollegen in Berlin und dort rumorten tթԹԶrkische Patrioten auf der StraթժԴe, demonstrierten mit krթԹ)ftiger Wallung nationalen GefթԹԶhls ihr GeschichtsverstթԹ)ndnis.
Zu lernen gibt es auf beiden Seiten noch vieles. Die Politiker mթԹԶssen erkennen, dass sprachliche Kosmetik nichts hilft, dass Wut kein Mittel gegen die historische Wahrheit ist. թՉrgerlich und kontraproduktiv ist jedenfalls der beliebige Umgang mit Begriffen, die prթԹ)zise definierte Sachverhalte beschreiben, die nicht austauschbar sind, die aber politischem KalkթԹԶl folgend verwendet werden. Das Massaker ist etwas anderes als der Pogrom, թ§Չ-ժԷethnische SթԹ)uberungթ§Չ-Թ ist nicht das gleiche wie Vertreibung. VթԹԳlkermord als organisierter Vernichtungswille einer Intention folgend und nach einem System praktiziert ist HթԹԳhepunkt und nicht steigerbare Summe von Exzessen und Massakern, die Deportation oder Austreibung einschlieթժԴen und nie auf Zufall oder plթԹԳtzlichem Anlass beruhen. Der Genozid wird mit den Methoden des Massakers, der Exekution, des Todesmarsches, der Verelendung im Lager verթԹԶbt, er lթԹ)sst sich jedoch nicht verharmlosen durch die Reduktion auf eine seiner Methoden.
Die Erinnerung an diesen VթԹԳlkermord wurde lange Zeit nur von einigen Literaten, Pazifisten, Engagierten beschworen. FթԹԶr die internationale թՉffentlichkeit sank der Genozid an den Armeniern allzu rasch ins Unterbewusste. Politisches KalkթԹԶl, Druck und Drohungen erzwangen das Vergessen. Die Existenz der թժberlebenden und ihrer Nachkommen steht seither unter einem doppelten Trauma, der unverjթԹ)hrbaren Last des Erlittenen und der zusթԹ)tzlichen BթԹԶrde durch die Leugnung, durch das Nichternst-Nehmen und Nichtwahrhabenwollen des Verbrechens. Die Behauptung, dieser Genozid sei nicht geschehen oder so nicht geschehen, wie er von den Opfern erfahren wurde, bedeutet eine zusթԹ)tzliche KrթԹ)nkung der Erinnerungsgemeinschaft, der damit ihre Wahrnehmung und die Wahrhaftigkeit ihres kollektiven GedթԹ)chtnisses abgesprochen wird, der damit auch jede Aussicht auf ErlթԹԳsung vom Schmerz genommen ist.
Die historische Wahrheit ist durch Akklamation, Parteinahme oder Kompromissformeln nicht manipulierbar. Sie lթԹ)sst sich nur aus authentischen Dokumenten, Berichten, Aussagen, aus den Quellen erschlieթժԴen. Das ist im Falle des Genozids an den Armeniern, AramթԹ)ern, Syrischen Christen im Osmanischen Reich grթԹԶndlich geschehen. Umso rթԹ)tselhafter das Unterfangen eines amerikanischen Historikers, ohne neue Quellen nur durch AbwթԹ)gen der in der Literatur vertretenen Meinungen und Positionen einen Beitrag zur armenisch-tթԹԶrkischen AussթԹԳhnung leisten zu wollen. Das Motiv besteht mթԹԳglicherweise darin, nur einen einzigen Genozid, den Judenmord, zu kanonisieren. Dieser Historiker kommt jedenfalls zu der Erkenntnis, gemeinsame empirische Studien von Armeniern und TթԹԶrken seien fruchtbarer als die Genoziddebatte. Wenn jemand vorschlթԹԶge, Holocaustleugner sollten gemeinsam mit den Opfern des Judenmords oder deren Nachkommen empirische Studien թԹԶber den Genozid an den Juden treiben, um die Wahrheit herauszufinden, er wթԹԶrde UnverstթԹ)ndnis erregen.
Die Ermordung der Armenier und anderer christlicher Minderheiten ist auch ein Trauma der TթԹԶrkei: Die ZwթԹ)nge aus Nationalstolz, der die individuelle Negierung der bթԹԳsen Fama gebietet, und Staatsdoktrin, die die kollektive Erinnerung an das Staatsverbrechen untersagt (bzw. nur eine Version zulթԹ)sst, die sich auf Schuldumkehr grթԹԶndet und die Armenier zu VerrթԹ)tern macht, derer man sich erwehren musste), konstellieren den Zwang der Verweigerung. Das erklթԹ)rt die reflexartigen Proteste tթԹԶrkischer Patrioten und die offiziellen Demarchen der tթԹԶrkischen Politik, wenn der Genozid als historisches Faktum konstatiert und seine quantitative Dimension benannt wird. Aber es gibt Hoffnung. Die AnkթԹԶndigung einer Gedenkveranstaltung in der TթԹԶrkei am heutigen 24. April 2010, initiiert von tթԹԶrkischen Intellektuellen, gehթԹԳrt dazu. Ebenso die Dokumentation Aghet, die im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Und die Teilnahme von TթԹԶrken und Kurden an dieser Gedenkfeier und die bewegende Rede des Vertreters des Friedensrats der TթԹԶrkei.
Das Gedenken an den Genozid ist notwendig. Denn zuerst und vor allen anderen sind die Nachkommen der Opfer traumatisiert. Ihnen schuldet die jeweilige Mehrheitsgesellschaft in der Diaspora (ebenso wie die VթԹԳlkergemeinschaft dem Staat Armenien) die historische Wahrheit. Das ist nicht mehr als die Feststellung, dass ein VթԹԳlkermord geschehen ist, dass Armenier die Opfer waren, dass die Regierung des Osmanischen Reiches den Genozid inszeniert hat, dass auch die VerbթԹԶndeten der Osmanen, Deutschland und թՉsterreich, davon wussten und die Untat geschehen lieթժԴen, dass die Welt davon wusste und die Augen schloss.
Das ist die Wahrheit. Und diese Wahrheit ist das Minimum, das wir den Opfern und ihren Nachkommen schulden.
Prof. Dr. Wolfgang Benz
(Vortrag bei der Gedenkveranstaltung am 24.4.2010 in Hamburg)
armenieninfo.net
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